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Dunkles Begehren

Dunkles Begehren

Titel: Dunkles Begehren
Autoren: Christine Feehan
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Schicksal
auferlegt, lebendig begraben, gefangen bis in alle Ewigkeit, aber ihm fiel
keine andere Lösung ein. Eigentlich hätte es keine Störung geben sollen, und
doch war es so gekommen. Die Erde über ihren Köpfen hatte sich bewegt.
    Gabriel wusste nicht,
wie viel Zeit inzwischen vergangen war, während er in der Erde geruht hatte,
doch sein Körper schrie nach Nahrung. Er wusste, dass sein Gesicht aschfahl und
ausgezehrt aussah wie das eines alten Mannes. Während er an die Oberfläche
stieß, bekleidete er sich und hüllte sich in einen langen Umhang mit Kapuze,
um sich vor neugierigen Blicken zu schützen, während er in der Stadt auf die
Jagd ging. Selbst diese winzige Geste raubte ihm schon alle Energie. Er
brauchte dringend Blut. Inzwischen war er so geschwächt, dass er beinahe
gestürzt wäre.
    Als Gabriel
schließlich sicher auf dem Boden stand, betrachtete er erstaunt die riesigen
Apparate, die seinen ewigen Schlaf gestört hatten. Diese Gerätschaften, die ihm
so fremd waren, hatten einen Dämon entfesselt, dessen tödliche Macht die Sterblichen
niemals erfassen würden. Und dieser Dämon wandelte nun ungehindert in jener
fortschrittlichen Welt. Gabriel atmete tief ein und sog die Nachtluft in sich
auf. Sofort strömten ihm so viele verschiedene Gerüche entgegen, dass seine
vom Hunger gequälten Sinne sie kaum verarbeiten konnten.
    Der Hunger nagte
gnadenlos und unerbittlich an ihm. Gabriel stellte mit wachsender Verzweiflung
fest, dass er bereits so nahe daran war, seine Seele zu verlieren, dass er sich
kaum noch beherrschen konnte. Wenn er jetzt Nahrung zu sich nahm, würde der
Dämon in ihm erwachen. Dennoch blieb ihm keine andere Wahl. Er musste sich
stärken, um auf die Jagd zu gehen. Wenn er Lucian nicht verfolgte und damit die
Sterblichen und Karpatianer beschützte - wer sollte es dann tun?
    Gabriel zog sich den
schweren Umhang fester um die Schultern, während er über den Friedhof
stolperte. Die Grabungen der Maschinen waren deutlich zu erkennen. Offenbar hob
man die Gräber aus, um die Toten umzubetten. Dann fand er die Stelle außerhalb
der geweihten Erde des Friedhofs, an der das Erdreich explosionsartig
emporgeschossen war, als Lucian erwacht war. Gabriel ließ sich auf die Knie
sinken und grub beide Hände in das Erdreich. Lucian. Sein Bruder. Sein
Zwilling. Kummervoll senkte er den Kopf. Wie oft hatten sie ihr Wissen
miteinander geteilt? Gemeinsame Schlachten geschlagen? Das Blut des anderen
aufgenommen? Sie waren beinahe zweitausend Jahre zusammen gewesen, hatten für
ihr Volk gekämpft und die Untoten zur Strecke gebracht. Nun war er allein.
Lucian war ein legendärer Krieger gewesen, der größte Vampirjäger des
karpatianischen Volkes, und doch war auch er gefallen wie so viele vor ihm. Dabei
hätte Gabriel sein Leben darauf verwertet, dass sein Zwillingsbruder der
Finsternis niemals anheimfallen würde.
    Gabriel erhob sich
langsam und machte sich auf den Weg zur
    Straße. In den vielen
Jahren, die inzwischen vergangen waren, hatte sich die Welt verändert. Alles
schien anders zu sein. Er verstand diese Welt nicht mehr. Tatsächlich fühlte er
sich so orientierungslos, dass selbst sein Blick verschwamm. Nur mühsam
stolperte er eine Straße entlang und bemühte sich, einen Bogen um andere
Passanten zu schlagen. Die Sterblichen begegneten ihm überall, sie wichen ihm
jedoch aus. Schnell las Gabriel ihre Gedanken. Sie hielten ihn für einen alten
Obdachlosen, vielleicht für einen betrunkenen oder gar einen verrückten. Niemand
blickte ihn an, niemand schien ihn sehen zu wollen. Er war in sich
zusammengesunken, seine Haut aschfahl. Schnell zog Gabriel den langen Umhang
noch enger um sich, um seinen ausgezehrten Körper zu verstecken.
    Der Hunger
überwältigte seine Sinne, sodass seine Reißzähne in Erwartung eines wahren
Festmahls hervorschossen. Er brauchte dringend Nahrung. Kraftlos wie geblendet,
ging er weiter. Diese Stadt war so verändert, nicht länger das alte Paris, das
er gekannt hatte, sondern ein riesiges, weit verzweigtes Labyrinth aus Gebäuden
und gepflasterten Straßen. Blendendes Licht schimmerte aus dem Inneren der
riesigen Gebäude und strahlte von den Straßenlaternen über seinem Kopf. Es war
nicht mehr die Stadt, an die er sich erinnerte und mit der er vertraut gewesen
war.
    Gabriel hätte gut daran
getan, sich das nächstbeste Opfer zu greifen und Nahrung zu sich zu nehmen, um
wieder zu Kräften zu kommen, doch die Furcht, sich nicht mehr beherrschen
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