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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund
Autoren: Anne Perry
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und sorgen dafür, daß die Lampen brennen, wörtlich und bildlich gesprochen.« Sie drehte sich zu Oonagh um. »Ich danke dir, meine Liebe. Es war sehr aufmerksam von dir, mir eine Reisegefährtin zu suchen, die einen Sinn für Abenteuer hat und den Mut, dieser Leidenschaft nachzugehen. Ich bin sicher, es wird eine unterhaltsame Reise nach London.«
    »Das hoffe ich«, sagte Oonagh leise. »Ich zweifle nicht daran, daß Miss Latterly gut für dich sorgen und dir eine interessante Begleiterin sein wird. Und jetzt sollte Nora ihr die Arzneischatulle zeigen und ihr erklären, wie man die richtige Dosis bereitet.«
    »Wenn du meinst, daß es sein muß…« Mary zuckte die Achseln. »Danke, daß Sie gekommen sind, Miss Latterly. Ich freue mich, Sie beim Mittagessen zu sehen und beim Abendessen, das wir heute etwas zeitiger einnehmen müssen. Ich glaube, unser Zug geht um Viertel nach neun, und wir sollten wenigstens eine halbe Stunde vorher einsteigen. Wir müssen gegen Viertel nach acht aufbrechen. Im Grunde zu früh für ein ordentliches Nachtmahl, aber heute muß es eben so gehen.«
    Sie entschuldigten einander, und Oonagh brachte Hester in Mrs. Farralines Ankleidezimmer, wo sie ihr die Kammerzofe Nora vorstellte, eine dünne, dunkle, ernst wirkende Frau.
    »Wie geht es Ihnen, Miss?« sagte sie und sah Hester artig an, anscheinend ohne eine Spur von Neid oder Groll.
    Oonagh verließ die beiden, und während der nächsten halben Stunde erklärte Nora Hester alles Nötige. Es war so einfach, wie Mary bereits angedeutet hatte – in der Arzneischatulle war ein Dutzend kleiner Phiolen, jeweils eine für morgens und abends, bis zum Tag ihrer Rückkehr. Die Arznei war bereits fertig, es gab nichts abzumessen. Die Flüssigkeit mußte nur in ein Glas geschüttet werden, und Hester hatte darauf zu achten, daß Mrs. Farraline nicht den Inhalt verschüttete oder sich die Medizin was wesentlich schlimmer wäre – versehentlich zweimal verabreichte. Das könnte – darauf hatte Oonagh ausdrücklich hingewiesen – äußerst ernste, wenn nicht gar tödliche Folgen haben.
    »Den Schlüssel verwahren Sie.« Die Zofe verschloß den Koffer und gab Hester den Schlüssel, der an einem schmalen roten Bändchen befestigt war. »Bitte hängen Sie ihn sich um den Hals, damit er nicht verlorengeht.«
    »Natürlich.« Hester befolgte die Anweisung und schob sich den Schlüssel unter das Mieder. »Eine gute Idee.«
    Hester saß auf dem einzigen Stuhl im Ankleidezimmer; Nora stand neben den Kleiderschränken. Marys Koffer standen dort, wo die Zofe sie gepackt hatte: Für jeden einzelnen der Röcke waren solche Unmengen von Stoff verarbeitet worden, daß ein halbes Dutzend Kleider enorm viel Platz beanspruchten. Eine Dame, die es gewohnt war, mindestens dreimal täglich die Kleider zu wechseln, kam schwerlich mit weniger als drei großen Koffern auf einer solchen Reise aus. Unterröcke, Unterkleider, Mieder, Strümpfe und Schuhe allein füllten bereits einen.
    »Um die Kleider müssen Sie sich nicht kümmern«, sagte Nora nicht ohne Stolz. »Das ist meine Aufgabe. Von allen Dingen gibt es eine Liste, und in Miss Griseldas Haus kümmert sich jemand um das Auspacken. Vielleicht müssen Sie ihr morgen beim Frisieren behilflich sein. Können Sie das?«
    »Natürlich.«
    »Gut. Dann hab’ ich Ihnen alles erklärt.« Ein Schatten legte sich über ihr Gesicht.
    »Gibt es noch etwas?« fragte Hester.
    »Nein, nein.« Nora schüttelte den Kopf. »Ich wünschte nur, sie würde nicht fahren. Ich halte nichts vom Reisen. Es bringt doch nichts. Ich weiß, Miss Griselda hat gerade geheiratet und erwartet ihr erstes Kind, und die arme Seele ist todunglücklich, nach den vielen Briefen zu urteilen, die sie schickt. Manche Menschen sind eben so. Vielleicht erholt sie sich, vielleicht nicht, aber wie auch immer, die Herrin wird doch nichts daran ändern können.«
    »Ist Miss Griselda von zarter Gesundheit?«
    »Du lieber Himmel, nein! Sie nimmt sich nur alles so sehr zu Herzen. Alles war gut, bis sie diesen Mr. Murdoch mit seinem vornehmen Getue geheiratet hat.« Sie biß sich auf die Lippe.
    »Ach, das hätte ich nicht sagen dürfen. Er ist sicher ein guter Mann.«
    »Ja, das denke ich auch«, sagte Hester ohne große Überzeugung.
    Nora sah sie an und lächelte schwach. »Ich nehme an, Sie würden jetzt gerne eine Tasse Tee trinken. Es ist gleich elf. Im Eßzimmer steht etwas bereit, wenn Sie möchten.«
    »Danke, sehr gerne.«
    An dem langen Eichentisch saß
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