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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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gemeinsam machten wir uns auf.
    An manchen Stellen war von dem Pfad nur noch eine Schlammlawine übrig, andernorts mussten wir über Gesteinsbrocken klettern. Doch Petunia führte mich. Sie war nicht nur erstaunlich flink, sondern schien sich hier auch bestens auszukennen. Zielsicher trottete sie voran und sah sich nur gelegentlich nach mir um, ob ich auch folgen würde. Halb Mastiff, halb Bergziege.
    Nachdem die Sonne aufgegangen war, brauchte ich die Taschenlampe nicht mehr. Mir zog ein seltsamer Geruch in die Nase, irgendetwas Chemisches wie Putzmittel oder Ammoniak. Was gab es hier draußen schon groß zu putzen?
    Je höher wir gelangten, desto feiner wurde der Regen und karger die Bäume, bis der Regen schließlich ganz versiegte und die Sonne kraftlos aus Nordwesten schien. Wir befanden uns am Rande einer Lichtung, die den Blick auf eine schneebedeckte Bergkuppe freigab. Keine Ahnung, welche. Hier gab es massenhaft Bergspitzen. Diese hier war wahrscheinlich viel zu mickrig, um überhaupt einen Namen zu verdienen.
    Der Boden war immer noch schneebedeckt, riesige Flächen weißen Zeugs, das stellenweise so dick war, dass es blau schimmerte. Doch dazwischen gab es braune Flecken und aus diesem Braun ragten zarte Pflänzchen mit mandalaförmigen Blättern hervor. Ich beugte mich über eine der Pflanzen. Dort, in der Mitte, prangte der stummelige Ansatz einer lila Blüte.
    Ich vernahm ein Schnalzen und erstarrte, halb über die Pflanze gebeugt. Dann hörte ich eine vertraute Stimme. »Da bist du ja, Rocky! Ich hab mich schon gewundert, wo du abgeblieben bist!«
    Langsam drehte ich den Kopf herum. Direkt dort, wo die Bäume wieder begannen, stand ein in Tarnfarben gestrichenes Wohnmobil, so raffiniert verborgen, dass ich es übersehen hatte. Und auf den Stufen des Wohnmobils saß Keith Spady. Meine treue Hündin Petunia kletterte ihm auf den Schoß.
    Hatte er mich schon gesehen?
    Sicher war ich nicht. Ich befand mich auf offenem Gelände, bis zu den Bäumen waren es ein paar Meter, ichwar für jedermann gut sichtbar. Aber bislang hatte er noch nicht aufgeschaut.
    Mein Herz hämmerte wie wild. Ich verharrte in geduckter Haltung, bis ich davon überzeugt war, dass er mich noch nicht bemerkt haben konnte. Dann kroch ich langsam im Krebsgang rückwärts auf die Bäume zu. Petunia würde ich zurücklassen müssen. Vielleicht fand sie auch ohne mich nach Hause. Und vielleicht, ganz vielleicht verschaffte sie mir auf Keiths Schoß die nötige Zeit zu verschwinden.
    »Wo bist du denn gewesen, mein Mädchen, hm?« Keith spitzte die Lippen und machte Kussgeräusche. »Scheinbar hat sich jemand um dich gekümmert.«
    Noch drei Schritte bis zu den Bäumen.
    Ich beobachtete, wie Keith nach Petunias Halsband griff.
    Oh, nein. Ich wusste genau, was er finden würde. Nur noch zwei Schritte.
    Da hatte Keith ihre Marke entdeckt.
Petunia. Veronica Severance. 555-3636
.
    Sein Kopf fuhr hoch und er blickte um sich. Seine Augen waren dicke rote Pflaumen, auf der Nase trug er ein Schmetterlingspflaster. Wie ein Guhl sah er aus.
    Tomás hatte ganze Arbeit geleistet.
    Suchend schaute er sich nach mir um, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Ich hatte die Bäume erreicht, nun würde ich leicht entwischen können.
    Und genau in diesem Augenblick klingelte mein Handy.
    Scheiße, Scheiße, Scheiße. Bitte nicht.
    Ich riss es mir vom Gürtel und warf es weit von mir ins Gebüsch, wo es unablässig weiterklingelte.
    Aber es war zu spät. Ich hatte zu Keith hinübergesehen und unsere Blicke waren sich begegnet.
    Ich drehte mich um und lief los.
Der Fluss. Ich musste es bis zum Fluss schaffen
.
    Es ging bergab, also hatte ich die Schwerkraft auf meiner Seite. Aber Keith ebenso. Wie ein Reh sprang ich den Pfad hinab und war dem Wasser schon so nah, dass ich fast sein Rauschen vernahm, da griff er mich plötzlich von hinten an, sodass wir beide in einer Lawine aus Geröll der Länge nach hinunterschlitterten.
    Erst als wir in den Stamm einer Douglasfichte prallten, kamen wir zum Halten. Ich trat und kratzte, aber er warf sich gegen mich und hielt mir die Hände über dem Kopf fest. Ich versuchte, ihm einen Stoß mit dem Kopf zu verpassen, doch er wich mir aus. Es hatte keinen Zweck mehr. Er hatte mich in seiner Gewalt.
    Keuchend rangen wir nach Atem. Irgendwie musste ich von ihm wegkommen, aber nicht jetzt. Dafür war er einfach zu stark. Ich würde mir etwas anderes einfallen lassen müssen. Ich versuchte, mein Herz zu beruhigen, denn hier war
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