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Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Titel: Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
Autoren: Marco Vichi
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nagte immer dort, wo sie es nicht sollte, und wenn dieses Gefühl wirklich angebracht war, blieb es aus. Nur in wenigen Ausnahmen wie bei Signorini entfaltete sie ihre volle Wirkung.
    Auf der Suche nach einem Aschenbecher stand Casini auf. Sein Blick fiel auf das Bett. Von Ekel gepackt riss er die von Blut und Sperma beschmutzten Laken weg, sammelte Eleonoras zerfetzte Kleidung auf und verpackte sie in der Küche in mehreren Plastiktüten. Danach ging er ins Schlafzimmer zurück und lief dort mit zu Fäusten geballten Händen ruhelos auf und ab.
    Plötzlich hörte das Wasserrauschen auf, und es herrschte Grabesstille. Mindestens fünf Minuten vergingen, ehe Eleonora aus dem Bad kam. Sie hatte sich wie zuvor in die Decke gehüllt, und noch immer war ihr Blick leer. Sie ging an ihm vorbei, ohne ihm in die Augen zu sehen, und öffnete den Schrank. Sie nahm ein Hemd heraus, ein Paar dunkle Hosen und einen Gürtel. Während sie sich anzog, behielt sie die ganze Zeit über die Decke um die Schultern. Dann krempelte sie sich die Ärmel hoch und schlüpfte in ihre Stiefeletten. Selbst jetzt, mit ihren blauen Flecken im Gesicht und da sie wie dieser hagere Typ aus der Commedia dell’Arte wirkte, erschien sie Casini wunderschön. Aber es war wahrhaftig nicht der richtige Zeitpunkt, um ihr das zu sagen.
    »Möchtest du reden?«, fragte Casini und suchte ihren Blick. Sie setzte sich mit zusammengepressten Knien auf den Rand eines Stuhls. Endlich sah sie ihn kurz an.
    »Und was nützt das?«, fragte sie und zuckte kaum merklich die Achseln.
    »Die dürfen nicht ungestraft davonkommen.«
    »Sie wollten dich damit treffen.«
    »Das weiß ich …«
    »Ich soll dir ausrichten, dass du deine Nase nicht in Dinge stecken sollst, die dich nichts angehen.« Ihre Stimme klang ruhig und neutral.
    »Wie viele waren es?«
    »Zwei.«
    »Und beide haben dich …«
    »Ja, beide.«
    »Wie sind sie hereingekommen?«
    »Keine Ahnung, sie haben mich schon erwartet.«
    »Wann bist du gekommen?«
    »Um halb elf.«
    »Würdest du sie wiedererkennen?«
    »Sie trugen Kapuzen auf dem Kopf.«
    »Leute aus Florenz?«
    »Ja.« Sie schauderte, während sie sich aufrichtete.
    »Das ist alles meine Schuld.«
    »Frag mich bitte nichts mehr«, flüsterte Eleonora.
    »Du musst Anzeige erstatten …«
    »Nein … lass mich … ich will nur vergessen …«
    »Vielleicht mit ein wenig Zeit …«
    »Fahr mich nach Hause, zu meinen Eltern …«
    »Bitte, geh jetzt nicht.« Die Worte waren ihm herausgerutscht, eigentlich wollte er das nicht sagen. Sie zog ihre Jacke an, als hätte sie ihn nicht gehört, und verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen. Casini nahm seinen Mantel und folgte ihr. Schweigend, ohne sich zu berühren, liefen sie die Stufen hinunter. Stiegen in den Wagen.
    »Via D’Annunzio …«, sagte sie leise wie zu einem Taxifahrer. Als der Fiat 1100 losfuhr, zog sie die Beine an und umarmte ihre Knie. Für Casini begann die kürzeste und zugleich längste Fahrt in seinem Leben. Dieses Schweigen lastete furchtbar auf ihm, aber ihm fiel nichts Vernünftiges ein, was er hätte sagen können. Nachdem er ihr die üblichen Fragen als Polizist gestellt hatte, waren ihm die Worte ausgegangen. Eleonora sah teilnahmslos auf die Straße und stützte ab und zu das Kinn auf die Knie.
    Auf ihrer Fahrt durch Florenz begegneten sie einigen Autos und den inzwischen gewohnten Militärfahrzeugen. Sie bogen in die Via D’Annunzio ein, und nach etwa einem Kilometer deutete Eleonora auf ein drei Stockwerke hohes Wohnhaus. Casini fuhr an den Straßenrand und stellte den Motor aus. Endlich fand er den Mut, ihre Hand zu nehmen.
    »Willst du gleich gehen?«
    Sie nickte.
    »Wenn du mich brauchst, musst du nur anrufen und …«
    »Mach dir keine Sorgen«, unterbrach sie ihn.
    »Sagst du mir wenigstens Bescheid, wie es dir geht?«
    »Ich muss jetzt los«, sagte die junge Frau leise und hatte die Hand schon am Türgriff.
    »Ich weiß, das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, aber … werde ich dich wiedersehen?«
    »Frag mich jetzt nichts«, sagte sie. Plötzlich fing sie an zu weinen. Nun brachen alle Schluchzer aus ihr heraus, die sie zurückgehalten hatte, und sie winselte wie ein kleines Hündchen.
    Casini hielt ihre Hand, unschlüssig, was er tun sollte. Wenn Frauen weinten, war er verloren.
    Nach einigen Minuten beruhigte sie sich schließlich. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, sah auf die Straße und atmete tief durch. Casini drückte ihre Hand
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