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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser
Autoren: Joe R. Lansdale
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einen aus dem Wald rübergeweht.
    Das gleiche Geräusch ertönte noch einmal, ein schweres, dumpfes Knarren, und da wusste ich, was es war.
    Ich schaute durch die Tür rüber zu Mama und Jinx. Sie hatten ebenfalls den Kopf gehoben. Offenbar waren sie zum selben Schluss gekommen wie ich.
    Da war jemand auf dem Dach.

25
    Ich kann gar nicht beschreiben, wie ich mich in dem Moment fühlte, denn ich wusste nicht nur, dass da jemand auf dem Dach war, sondern auch, dass es Skunk war – wer sonst? Im ersten Augenblick konnte ich nicht begreifen, warum er das machen sollte, da draußen im Regen und dann auch noch so, dass wir ihn alle hören konnten und merkten, wo er war, aber dann wurde es mir klar. Er wusste, wie sehr wir uns fürchten würden, und er labte sich am Elend anderer Menschen.
    Ich stand auf und ging ins große Zimmer rüber. Mama sah mich fragend an. Im Dunkeln konnte ich ihr Gesicht nicht sehen, aber ich wusste, dass sie genauso Angst hatte wie ich. Jinx lief im Zimmer herum, wobei sie den Schritten auf dem Dach folgte. Sie hielt die Pistole und schaute zur Decke. An einer Stelle bog sich das Bretterdach ein wenig durch. Jinx riss die Pistole hoch und drückte ab. Der Schuss war so laut wie der Weltuntergang, und mir klingelten die Ohren. Schritte huschten über das Dach, und dann war nichts mehr zu hören.
    »Ich glaub, er ist runtergesprungen«, sagte Jinx.
    »Meinst du, du hast ihn getroffen?«, fragte Mama.
    »Wenn ja, dann war er hinterher aber noch ziemlich flink«, sagte Jinx.
    Wir blieben, wo wir waren, und warteten darauf, das er wieder aufs Dach kletterte, aber nichts geschah. Stattdessen hörte ichein Knirschen aus dem Schlafzimmer. Ich packte Jinx am Ellenbogen und zog sie dort rein. Das Geräusch kam von einem Fenster neben Terrys Bett. Der Schuss hatte ihn geweckt, und er hatte den Kopf dem Fenster zugewandt. Zwischen dem Fensterrahmen und dem Laden steckte eine große Klinge, und auf dem Boden waren Glasscherben verstreut; die Klinge ruckelte hin und her, und der Fensterladen begann sich zu lockern. Durch den Spalt drang Skunks Gestank herein.
    Jinx hob die Pistole mit beiden Händen und drückte ab. Die Pistole war so groß, dass Jinx ein Stück nach hinten taumelte. Der Schuss durchschlug den Laden, Glas splitterte. Die große Klinge wurde zurückgerissen.
    »Vielleicht hast du ihn jetzt erwischt«, sagte ich.
    »Yeah«, erwiderte Jinx, »aber den Laden öffnen und nachschauen will ich deswegen nicht.«
    »Ich genauso wenig«, sagte ich.
    »Dem kann ich nur zustimmen«, sagte Mama. Sie stand hinter uns, die Flinte schussbereit erhoben.
    »Mir ist auch nicht danach zumute«, sagte Terry. Er hatte sich im Bett aufgesetzt und hielt seinen Armstumpf umklammert. Jinx stand dicht neben mir, und ich konnte spüren, wie ihre Schulter zitterte. Oder vielleicht war es auch meine.
    »Hier drin sind wir sicher«, sagte ich. »Bei dem Regen kann er uns auch nicht ausräuchern. Wir dürfen uns nur keine Angst einjagen lassen. Denn genau darauf ist er aus – dass wir Panik kriegen und die Beine in die Hand nehmen, damit er uns nacheinander erledigen kann. Wir müssen wachsam bleiben.«
    »Wenn er da draußen ist«, sagte Terry, »und wir hier drin sind, ist er im Vorteil. Er hat alle Zeit der Welt. Der Schweinehund findet bestimmt genug zu essen, während wir nicht mal mehr Beeren pflücken können.«
    Ich und Jinx schoben eine alte Kommode mit einem großengesprungenen Spiegel vor das eingeschlagene Fenster, und dann blieben wir die ganze Nacht auf und lauschten. Hin und wieder nickte einer von uns ein, aber dann war jemand anderes wach. Jinx blieb bei Terry im Schlafzimmer, ich und Mama saßen in der großen Stube. Immer wieder hörte ich Skunk am Türknauf zerren, offenbar wollte er uns in den Wahnsinn treiben.
    Das ging fast die ganze Nacht so: Skunk rüttelte an der Tür und schlug Scheiben ein, wobei die Scherben zwischen Rahmen und Fensterläden zu Boden klirrten; erst zwei Stunden vor Tagesanbruch hörte er damit auf.
    Bis es hell wurde, war ich völlig verängstigt und fast am Verhungern. Es regnete noch immer, wenn auch nicht mehr so stark. Wir holten die Innereien und den Kopf von dem Fisch aus dem Kamin, wischten sie ab und teilten sie durch vier. Viel war es nicht, und es schmeckte ekelhaft. Anfangs weigerte sich mein Magen, die schmalen Bissen zu verdauen, aber schließlich gab er nach.
    Mama entdeckte eine Büchse mit einem Rest Kaffee, und sie kochte uns welchen. Er schmeckte wie
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