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Dungirri 01 - Schwarze Dornen

Titel: Dungirri 01 - Schwarze Dornen
Autoren: Bronwyn Parry
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Für einen Augenblick legte er die Wange an Chloes daunenweiches Haar, und das schmerzliche Sehnen in seiner Brust war wie ein Felsbrocken, den er nicht aufzulösen wusste.
    Seine Mutter setzte sich zu ihm. »Soll ich dir Chloe abnehmen?«, fragte sie.

    Unmerklich schloss er den Arm enger um die Kleine, merkwürdig unwillig, sie herzugeben. »Nein, das passt schon.«
    »Du bist so still heute.«
    »Hmm.«
    »Ist es wegen der Frau, die du gerettet hast? Bella?«
    Ihr Scharfblick traf ihn völlig unvorbereitet. »Woher weißt du das?«
    »Ich habe in den Nachrichten gesehen, wie du sie aus der Höhle getragen hast. Da wusste ich, dass du mehr leiden musstest, als für einen Menschen gut ist.«
    »War es wirklich so offensichtlich?«, staunte er leise.
    »Nur für mich, und ich habe es nur geahnt, sicher war ich mir nicht. Außerdem hat Bob hin und wieder kurz von ihr gesprochen. Aber wenn du das nächste Mal ein vertrauliches Gespräch mit Bob führst, tu es nicht unter einem offenen Fenster.«
    »Oh.«
    Er wusste nicht, was er sagen sollte, wusste nicht mehr, wann er zuletzt mit seiner Mutter über Gefühle gesprochen hatte. Wann er zuletzt mit irgendjemandem über Gefühle gesprochen hatte … außer mit Bella. Er schaute zu Terry und Bob und den Kindern, die ganz im Spiel aufgingen. Terry bäumte sich auf wie ein wildes Pferd, und Sam klammerte sich an ihm fest, während Emma auf Bobs Rücken saß und laut johlte, wann immer er einen Satz machte.
    »So haben Jill und ich früher mit Dad gespielt.«
    Erst als sie darauf antwortete, wurde ihm bewusst, dass er es laut gesagt hatte. »Ich weiß.«
    Sie hakte sich bei ihm ein und sagte nach einer Weile behutsam: »Alec, ich war erst sechzehn, als ich ihn kennenlernte.
Neunzehn, als wir heirateten und du gezeugt wurdest. Als er starb … Ich hatte keine Erfahrung mit einem Leben ohne ihn, auf die ich hätte zurückgreifen können. Ich war noch jung und hatte mein ganzes Erwachsenenleben bis dahin mit ihm verbracht. Es hat sehr, sehr lange gedauert, bis ich gelernt hatte, allein zurechtzukommen.«
    Sie hielt inne und sah ihn an, und vielleicht zum allerersten Mal erkannte er, dass ihre Augen nicht länger gramvoll und verloren, sondern sanft und weise blickten, und er fragte sich, wann sich das geändert hatte, was ihm entgangen war, während er sich nur seiner Arbeit gewidmet hatte.
    »Deine Bella«, fuhr sie fort, »ist eine erwachsene Frau, Alec. Stark, fähig und erfahren. Stärker, als ich es war. Vertraue ihr. Vertraue darauf, dass sie weiß, was gut für sie ist.«
    Bella vertrauen. Die Erinnerung an den letzten, quälenden Morgen riss die Mauer nieder, hinter der er sie verborgen hatte, und stand lebendig vor ihm. Bella hatte verstanden, war beiseitegetreten und hatte ihn gehen lassen. Hatte ihn zu der Arbeit fortgehen lassen, die er tun musste.
    Aber sie hatte nicht Lebewohl gesagt. Sie hatte nur gesagt: Lass sie nicht gewinnen .
    Der Felsbrocken in seiner Brust zerbrach, zerfiel in kleine Steinchen, und er atmete die süß nach Geißblatt duftende Luft tief in seine Lunge.

    Bella hatte die Hände um die Keramiktasse gelegt, nahm einen Schluck heißen Kräutertee und sah durch das Fenster hinaus in die Nacht. Stumm lagen das Tal und die Berge hinter dem Haus im sanften Licht des Vollmonds,
und ganz ohne Furcht spazierten eine Beutelratte und ihr Junges durch den Garten.
    Friedlich hallte der zweitönige Ruf eines Buschkauzes durch den Mondschatten unter den Bäumen.
    Sie würde diesen Ort vermissen, wenn sie wegging.
    Aber der Abschied stand bevor, wenn sie auch noch nicht wusste, wohin es ging. In den letzten sechs Wochen hatte sie ihre emotionale Stärke wiedergefunden, hatte eine Balance zurückgewonnen, die ihrem Leben lange Zeit gefehlt hatte. Sie hatte - fast - keine Albträume mehr und sich bewiesen, dass sie es in einer Menschenmenge aushielt - selbst zur Stoßzeit im Zentrum von Sydney -, ohne dass die Panik ihr den Atem raubte.
    In den langen, stillen Stunden, umgeben vom Buschland und von der Erinnerung an das Vertrauen, das ihr Vater in sie gesetzt hatte, war ihre Entscheidung über ihre Zukunft gefallen - eine Zukunft, in der sie die verschiedenen Stränge ihres Lebens auf sinnvolle Weise verbinden konnte.
    Ihr Forschungsprojekt war entworfen, und erste Gespräche mit zwei Universitäten über ein Promotionsstudium waren positiv verlaufen, sodass sie nur noch entscheiden musste, an welche von beiden sie gehen wollte - an die Universität in Sydney
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