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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher
Autoren: Stephen King
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erst dachte er, der abgehärmte, rußwangige Mann, der da vor ihm kniete, sei ein Traum, ein Hirngespinst. Denn dieser Mann sah aus wie Henry.
    »Jonesy? He, Jonesy, jemand da?« Henry schnippte vor Jonesys Augen mit den Fingern. »Erde ruft Jonesy.«
    »Henry? Bist du das? Bist du es wirklich?«
    »Ich bin es«, sagte Henry. Er schaute kurz zu dem Hund hinüber, der immer noch in der Lücke über Schacht zwölf hing, und sah dann wieder Jonesy an. Mit unendlicher Zärtlichkeit strich er Jonesy das verschwitzte Haar aus der Stirn.
    »Mann, du hast dir aber echt …«, setzte Jonesy an, und dann verschwamm ihm alles vor Augen. Er schloss sie, konzentrierte sich mit aller Mühe und schlug sie dann wieder auf. »… hast dir echt Zeit gelassen beim Einkaufen. Hast du an das Brot gedacht?«
    »Ja, aber die Würstchen habe ich unterwegs verloren.«
    »So eine Scheiße.« Jonesy atmete tief ein. »Dann gehe ich das nächste Mal selber.«
    »Knutsch mir die Kimme, Alter«, sagte Henry, und Jonesy lächelte, und dann wurde um ihn her alles schwarz.

Epilog
Labor Day
    Die Welt ist fies.
    NORMAN MACLEAN
    Und wieder ein Sommer zu Ende, dachte Henry.
    Dem Gedanken haftete aber keine Wehmut an; der Sommer war schön gewesen, und der Herbst würde auch schön werden. Dieses Jahr würde es keinen Jagdausflug geben, und er würde bestimmt ab und an Besuch von seinen neuen Freunden vom Militär bekommen (seine neuen Freunde vom Militär wollten vor allem sicherstellen, dass auf seiner Haut nichts Rotes wuchs), doch trotzdem würde der Herbst schön werden. Kühle Luft, helle Tage, lange Nächte.
    Manchmal, nach Mitternacht, kam auch Henrys alte Freundin, die Dunkelheit, noch zu Besuch, aber dann setzte er sich einfach mit einem Buch auf dem Schoß in sein Arbeitszimmer und wartete ab, bis sie wieder ging. Und das tat sie letztlich immer. Letztlich ging immer wieder die Sonne auf. Der Schlaf, den man in einer Nacht nicht bekam, schlich sich manchmal in der Nacht darauf zu einem ins Bett, dann aber wie eine Geliebte. Das hatte er seit dem vergangenen November gelernt.
    Jetzt trank er ein Bier auf der Veranda von Jonesys und Carlas Cottage in Ware, das am Ufer des Pepper Pond stand. Das Südufer des Quabbin-Stausees lag gut vier Meilen nordwestlich von hier.
    Die Hand, die die Bierdose hielt, hatte nur drei Finger. Der kleine und der Ringfinger waren ihm erfroren, vielleicht während seiner Fahrt auf den Langlaufskiern, vielleicht auch, als er Jonesy auf einem selbst gebastelten Schlitten zurück zu ihrem Humvee geschleift hatte. Im vergangenen Herbst hatte er anscheinend ständig Leute durch den Schnee geschleift, und das mit durchwachsenem Ergebnis.
    An ihrem kleinen Strandabschnitt kümmerte sich Carla Jones um den Grill. Noel, ihr Jüngster, krabbelte links daneben, mit schief hängender Windel, unter dem Picknicktisch herum. Er winkte fröhlich mit einem verkohlten Würstchen. Die übrigen drei Kinder der Familie Jones, neun bis elf Jahre alt, tummelten sich kreischend im Wasser. Henry fand das biblische Gebot, fruchtbar zu sein und sich zu mehren, zwar nicht unberechtigt, fand aber auch, dass sich Carla und Jonesy dabei doch etwas zu mächtig ins Zeug gelegt hätten.
    Hinter ihm klapperte die Fliegentür. Jonesy kam mit einem Eimer mit Bierdosen auf Eis heraus. Er humpelte nicht mehr so schlimm; diesmal hatte der operierende Arzt sein ursprüngliches Fahrwerk gleich ganz durch Teflon und Stahl ersetzt. Das wäre so oder so passiert, hatte der Arzt zu Jonesy gesagt, aber wenn Sie sich ein bisschen mehr vorgesehen hätten, Meister, dann hätten Sie aus dem alten Gelenk noch fünf Jahre rausholen können. Dieser Operation hatte er sich im Februar unterzogen, kurz nach Henrys und Jonesys sechswöchigem »Urlaub« bei den Leuten vom militärischen Geheimdienst und der psychologischen Abteilung.
    Die Militärs hatten ihm angeboten, das Austauschen der Hüfte auf Staatskosten zu übernehmen – gewissermaßen als großer Schlussakt nach den Verhören –, aber Jonesy hatte dankend abgelehnt und gesagt, er wolle seinen Orthopäden nicht um die Arbeit und seine Krankenversicherung nicht um die Rechnung bringen.
    Da hatten die beiden nur noch weggewollt aus Wyoming. Sie waren nett untergebracht (wenn man sich denn daran gewöhnen konnte, unterirdisch zu wohnen), das Essen war absolut erstklassig (Jonesy nahm vier Kilo zu, Henry fast neun), und im Fernsehen liefen keine Wiederholungen. Aber die ganze Atmosphäre war doch ein bisschen zu sehr
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