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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand
Autoren: Corban Addison
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Glaubwürdigkeit, indem er, ohne dafür auch nur den Hauch eines Beweises zu haben, einfach behauptete, Ahalya sei ein Schulmädchen mit loser Moral, das schon etliche Liebesaffären gehabt habe. Als sie das abstritt, sprach der Anwalt einfach in noch lauterem Ton weiter und betonte dabei die Tatsache , dass das Kind in ihrem Schoß durch Sex entstanden sei, der mit ihrem Einverständnis außerhalb des Bordells stattgefunden habe. Geduldig erklärte Ahalya, sie sei noch Jungfrau gewesen, als Suchir sie kaufte, und die einzigen Männer, die als Vater ihres Kindes infrage kämen, seien Shankar, der eine fürstliche Summe bezahlt habe, damit er kein Kondom benutzen musste, und Prasad, der in seinem Begehren so ungestüm gewesen sei, dass geschützter Sex für ihn nie zur Debatte gestanden habe. Obwohl sich der Verteidiger daraufhin noch mehr ins Zeug legte, indem er wild gestikulierend vor Ahalya herumtänzelte und sie einmal sogar anschrie, hatte er bereits den Kürzeren gezogen. Ahalya stand als Siegerin im Zeugenstand. Sogar der Richter, der völlig abgestumpft in diese Verhandlung gegangen war, hatte Suchir und Prasad am Ende mit einem strafenden Blick bedacht.
    Wie passend, dass der Anruf ausgerechnet heute kam, dachte Thomas, während er zügig eine besonders langsame Rikscha überholte. Sie fuhren am Flughafen vorbei und dann auf der Sahar Road nach Andheri hinein. Als sie schließlich am Ashram ankamen, ließ Schwester Ruth das Tor weit aufschwingen und erlaubte ihnen, den Wagen auf einem Parkplatz innerhalb der Umzäunung abzustellen.
    »Kommen Sie rasch«, rief ihnen die Nonne über die Schulter zu, während sie bereits den Pfad entlangeilte, »es dauert nicht mehr lange!«
    Die aufgehende Sonne tauchte die Landschaft in ein goldenes Licht und verhieß einen weiteren heißen Tag. Die Zeit des Monsuns war dieses Jahr kürzer ausgefallen als sonst, die Regenphase hatte nur von Ende Mai bis Ende August gedauert, und im September waren Hitze und Feuchtigkeit mit umso größerer Wucht zurückgekehrt. Obwohl es noch nicht mal halb acht Uhr morgens war, spürte Thomas bereits erste Schweißtropfen auf der Stirn, während er hinter Schwester Ruth hereilte.
    »Wie geht es ihr?«, fragte Priya.
    »Es war anstrengend«, antwortete die Nonne, »aber nun hat sie es fast geschafft.«
    Sie waren derart in Eile, dass sie fast an Ahalyas Teich vorbeigelaufen wären, ohne die Veränderung zu bemerken. Thomas jedoch registrierte den Farbtupfer aus dem Augenwinkel.
    »Moment mal!«, rief er aus.
    Schwester Ruth blieb so abrupt stehen, dass Priya sie fast gerammt hätte. Als der Nonne der Grund für Thomas’ Ausruf klar wurde, breitete sich ein Lächeln über ihr Gesicht aus. Auf der schimmernden Oberfläche des Teiches schwamm eine sternförmige Lotusblüte. Ihre Blütenblätter waren genauso blau wie der Himmel, und die schrägen Strahlen der Morgensonne ließen sie besonders intensiv leuchten.
    »Bei meinem letzten Besuch war die noch nicht da«, stellte Thomas fest.
    »Sie ist erst gestern aufgeblüht«, antwortete Schwester Ruth.
    »Hat Ahalya sie vor der Verhandlung gesehen?«
    »Ja«, bestätigte die Nonne. »Ich war dabei.«
    Thomas schüttelte den Kopf. Die Lotusblüte war also der Grund, warum Ahalya im Zeugenstand so unbesiegbar gewirkt hatte. Sie hatte die Blume als ein Zeichen von göttlicher Gunst angesehen und war zu dem Schluss gekommen, dass sie vor Gericht gar nicht verlieren konnte.
    Sie erreichten die Krankenstation des Ashrams genau in dem Moment, als die ersten Schreie des Babys durch den Eingangsbereich schallten. Priya drückte Thomas’ Hand. Schwester Ruth führte sie in einen kleinen Vorraum, an den sich der eigentliche Entbindungsbereich anschloss.
    »Warten Sie hier«, sagte sie, »ich komme wieder, sobald das Kind in vorzeigbarem Zustand ist.«
    Eine Minute später tauchte ein anderes Gesicht im Durchgang zum Entbindungsraum auf.
    »Thomas!« Sita stürmte heraus, um ihn zu begrüßen.
    In den sechs Monaten, seit er sie kannte, hatte sie sich sehr verändert. Vorher war sie ein schlaksiges junges Mädchen gewesen – hübsch, aber sehr schmal und zerbrechlich. Nun entwickelte sie an all den Stellen Rundungen, die eine Frau weiblich wirken ließen. Auch ihre Stimme klang inzwischen kräftiger, ihre ganze Art wirkte selbstbewusster, und in ihren großen Augen lag ein neuer Glanz. Die Nonnen würden auf sie aufpassen müssen, was die Jungs betraf. Aber wer weiß, ging Thomas durch den Kopf, ob sie nach
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