Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreiländermord

Dreiländermord

Titel: Dreiländermord
Autoren: Kurt Lehmkuhl
Vom Netzwerk:
machen.
     
    Einige Gedanken flogen ihm durch den Kopf, als er im Bett nach Schlaf
suchte. Er war unentschlossen, ob er sich auf diese Geschichte tatsächlich einlassen
sollte oder nicht. Er kannte sich und seinen Eifer. Wenn er intensiv einstieg, würde
er nicht eher locker lassen, bis er zu einem Ergebnis gekommen war, das ihn zufriedenstellte.
    »Ich gehe über Leichen, um die Wahrheit herauszufinden«, hatte er einmal
zynisch in einem Verhör zum Entsetzen des Verdächtigen gesagt, »und wenn es meine
eigene ist.«
    Das ungewöhnliche Verhalten von Küpper ging ihm nicht aus dem Sinn.
Dessen abrupter, fast schon fluchtartiger Abgang störte ihn sehr. Das würde er nicht
vergessen. Deswegen war ihm der Freund eine Erklärung schuldig. Und dann hatte der
Bernhardiner obendrein eine Erkrankung vorgetäuscht, um ihn unter Umgehung sämtlicher
Dienstwege zu besuchen und um eine Ermittlung in einem abgeschlossenen Fall zu bitten.
Ein Journalist hatte Selbstmord begangen. Na und? So etwas kam immer wieder einmal
vor, ebenso, wie es immer wieder einmal vorkam, dass ein Journalist in alten, ungelösten
Kriminalfällen herumkramte. Das eine hatte mit dem anderen vermutlich so wenig zu
tun wie der Mond mit Ebbe und Flut, nämlich nichts. Warum allerdings ein deutscher
Journalist ein belgisches Pfarramt anruft und sich die dazugehörige Rufnummer in
einem Aktenordner befand, in dem die dürftigen Rechercheergebnisse über ungeklärte
Mordfälle zusammengefasst waren, das passte nicht ins Bild.
    Böhnke drehte sich seufzend um und sortierte das Kopfkissen neu. Da
gab es zwei Gespräche, die er in den nächsten Tagen führen würde, nahm er sich vor,
wenn er seinen Ausflug nach Düren unbeschadet überstanden hatte. Er war gespannt,
was er in Gefferts Wohnung finden würde – wenn er überhaupt dort ankam.
    Die Fahrt durch die Eifel von Huppenbroich nach Düren hatte ihm noch
nie sonderlich behagt. Das lag zum einen an der unfallträchtigen Strecke, die an
vielen Stellen zum Rasen verführte und auf den geraden Strecken durch die Ortschaften
dazu verleitete, schneller als Tempo 50 zu fahren, zum anderem aber auch an den
Verkehrsteilnehmern, die fatalerweise ihre Geschwindigkeit überschätzten und oftmals
an Stellen überholten, die nicht dazu geeignet waren.

3.
    Die Aussicht von der nördlichsten Anhöhe der Eifel
aus der Ortschaft Birgel hinunter in das weitläufige Rurtal und die dahinter liegende
flache Bördenlandschaft ließ bei Böhnke zwiespältige Gefühle aufkommen. Die Weite
der in unterschiedliche Farben getauchten Natur war durchzogen von der fortschreitenden
Zivilisation. Die Stadt Düren lag wie ein Klotz in der Landschaft, ohne eine markante
Mitte, nur mit einigen Erkennungsmerkmalen wie die Hochhäuser rechts am Horizont
nahe der ehemaligen Fordwerke oder die Schlote von Unternehmen der chemischen Industrie.
Die Industrialisierung hatte Düren reich gemacht. Die Stadt war dank Schoeller &
Hoesch und anderen großen Industriellen einmal eine der reichsten Städte Deutschland
gewesen, hatte allerdings sein Herz verloren, als es im Zweiten Weltkrieg fast zu
100 Prozent zerstört wurde.
    Böhnke riss sich von der geschichtlichen Vergangenheit los. Am meisten
betrübte ihn jedoch der Blick zum Horizont linksseitig. Dort lag wie ein grüner,
massiger Fremdling in der Börde die Sophienhöhe, eine bewaldete Abraumhalde, in
der das überschüssige Erdreich aus dem Braunkohlentagebau Hambach deponiert wurde;
ob für immer oder nur für einige Jahrzehnte, war eine nicht eindeutig beantwortete
Frage, wie Böhnke glaubte. Der dort gelagerte Abraum würde sich gut für die Verfüllung
der in die Diskussion geratenen drei Restseen eignen, die in einigen Jahren entstehen
würden. Aber zu einer vielleicht auch nur teilweisen Verfüllung würde es aus Kostengründen
nicht kommen. Ein künstlich angelegter, bewaldeter Berg, der wie ein Fremdling wirkte,
war für ihn eine Pseudonatur, die die Umweltvernichtung kaschieren sollte. Für ihn
waren der Tagebau und die Verbrennung der energieschwachen Braunkohle ein Anachronismus,
ein Fossil in einer Zeit der zunehmenden Erderwärmung.
    Der Kommissar a. D., der sich wohl nie an das
Statuskürzel gewöhnen würde, konzentrierte sich wieder auf die abschüssige Bundesstraße,
die schon so manchem Autofahrer das Leben gekostet hatte. In den Dürener Stadtteil
Birkesdorf musste er. Dort hatte Geffert an der Einsteinstraße eine Wohnung gemietet,
wie Böhnke von Küpper erfahren hatte.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher