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Drei Tage voller Leidenschaft

Drei Tage voller Leidenschaft

Titel: Drei Tage voller Leidenschaft
Autoren: Susan Johnson
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dichten Brauen. Mit den gleichen Augen sahen seit achthundert Jahren die kostbaren byzantinischen Ikonen in die Welt: bestechend schöne Augen, die durchbohrend und scharf, träge geschlossen oder gutmütig gelassen blicken konnten. Seine markanten Gesichtszüge wurden durch diese eindrucksvollen Augen gemildert, ebenso wie durch einen sinnlichen Mund, der nun unzufrieden geschürzt war.
    Nikki spannte die Muskeln an, reckte seine schlanke Gestalt wie eine große Katze und entspannte sich wieder. Leise Laute aus dem Wald umspülten ihn – frische junge Birkenblätter, die in der sanften Brise raschelten, das leise Gluckern des Baches, der am Rand der Lichtung vorbeiplätscherte, das unaufhörliche Gezwitscher der Vögel über ihm. Die Ruhe des Waldes beruhigte seinen müden Körper, aber besänftigte nur oberflächlich die Unruhe und Unzufriedenheit seines Geistes. Nikki war gelangweilt: Langeweile – dieser ständige, unangenehme Begleiter, der ihn mit unglaublicher Hartnäckigkeit verfolgte. Nikki lebte nun schon seit Jahren das schwierige und anstrengende Leben eines Nichtstuers. Chronische Freizeit mit ihrer tödlichen, rastlosen Unausgefülltheit, hatte ihn immer stärker in ihren Fängen.
    Er stützte sich auf einen Ellbogen und betrachtete unter schweren Lidern her seine Gefährten, die sorglos lachend um die Überreste einer Mahlzeit lagen, die die Diener aus dem Schlößchen herübergebracht hatten. Das Eis in den silbernen Weinkühlern war fast geschmolzen, und die halbleeren Flaschen schwitzten in der Wärme der Frühlingssonne.
    Die Überreste eines üppigen déjeuners sur l’herbes lagen verstreut auf dem Damasttuch und wurden von zwei Wolfshunden verschlungen. Tschernow und Iljitsch spielten gelangweilt auf einem Silbertablett zwischen ihnen Würfel, während Aleksej in einen Roman von Turgenjew vertieft war.
    Nikki lauschte mit seiner üblichen nachsichtigen Distanziertheit dem freundlichen Geplauder der beiden Würfelspieler.
    »Ich will heute abend Cecilia, du hattest sie die letzten beiden Nächte, und ich finde, nun bin ich an der Reihe«, sagte Tschernow mit gespieltem Maulen.
    »Kann ich was dafür, daß sie mich lieber hat?« lächelte Iljitsch selbstgefällig.
    »Ist mir egal. Heute nacht bin ich dran«, beharrte Tschernow.
    »Was kann denn wohl anders an ihr sein?« wollte Nikki mit tiefer, heiserer Stimme wissen. »Die Huren tun doch alle, was man will, wenn man nichts dagegen hat, in kürzester Zeit gelangweilt zu werden.«
    »Oh, nein, mir gefallen Cecilias lange Beine und ihr schlanker Körper viel besser als die rundlichere Figur von Olga«, erwiderte Tschernow leidenschaftlich, der sich an Cecilias Tanzkunst vom Vorabend erinnerte.
    »Komm, komm, Gregor«, meinte Prinz Kuzan mit der Desillusion seiner dreiunddreißig Jahre. »Eine Frau ist wie die andere.« Dann lehnte er sich wieder in der warmen Sonne zurück und schloß die Augen.
    »Sprich für dich selbst, Nikki. Ich finde Cecilia nun mal viel attraktiver und will sie mir vornehmen«, bemerkte Tschernow mit leicht gereiztem Unterton.
    Nikkis goldene Augen hefteten sich in mildem Spott auf den gutmütigen, aber nun recht wütenden Tschernow.
    »Wie du willst, Gregor«, erwiderte Nikki sanft. »Iljitsch, du verstehst, daß ich als Gastgeber versuchen muß, den Geschmack aller meiner Gäste zu befriedigen. Vielleicht kann ich dich überreden, heute nacht einmal mit Tanja statt mit Cecilia zu schlafen«, schlug er höflich vor, als biete er dem Gast eine makellosere Birne zum Dessert an.
    »Mit Vergnügen!« erwiderte Astrachan Iljitsch eilig. Tanja war nun seit drei Monaten Nikkis Geliebte, und niemand wagte sich ihr zu nähern, aber wenn Nikki das Mädchen großzügig anbot, wäre Iljitsch wohl ein Narr, das Angebot auszuschlagen.
    Nikki fuhr mit langsamer Stimme fort: »Ich bin der festen Überzeugung, daß man, um zu überleben, ständig amüsiert sein muß, daß es eine der Grundbedingungen im Leben ist, solange wie möglich die unverzeihlichste Sünde zu meiden, die Monotonie. Tanja wird mir langweilig. Daher gehört sie dir, wenn du sie willst, Astrachan«, beendete er den Satz mit Nachdruck.
    Nikki konnte ein wenig Langeweile gut aushalten, aber sie hatte ihre Grenzen, und mit Tanja war es nun eintönig geworden. Er würde ihr ein passendes Abschiedsgeschenk geben, wenn sie nach Petersburg zurückkehrte. Nikki war bekannt für seine Großzügigkeit den Geliebten gegenüber, und sie würde bald einen neuen Protektor finden,
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