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Drei Seiten für ein Exposé

Drei Seiten für ein Exposé

Titel: Drei Seiten für ein Exposé
Autoren: Hans Peter Roentgen
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Zeit, die nur mir gehört und die ich ein- und ausschalten kann. Die mir Freizeit verschafft, aber auch Freiheit. Dort kann man all das ausleben, was man im Alltag nicht kann.
    Aber was sind „extreme Erlebnisse“? Das genau wäre dieGeschichte, das genau möchte der Leser des Exposés wissen.
    Wie baut man aus einer Idee eine Geschichte? Daran fehlt es in obigem Beispiel. Zwar wettet die Fee, dass es Annette nicht schafft – doch was steht dabei auf dem Spiel? Das verrät uns das Exposé nicht. Obendrein könnten Klaus und Annette die Fee eigentlich leicht austricksen. Sie müssen nur ein Jahr Geduld haben. In dem Jahr können sie sich in den zusätzlichen Stunden treffen. Die Weltreise könnte man danach antreten. So sehr eilt es dann doch nicht.
    Eine Geschichte braucht etwas, das auf dem Spiel steht. Wir haben einen Verführer – die Fee –, und wie jeder Verführer hat er etwas zu bieten. Was will er dafür? Mephisto wollte Fausts Seele. Gehen wir mal davon aus, dass auch die Fee Mandragora ähnliche Ambitionen hat.
    Sie bietet also Annette die Freizeit und die Möglichkeit an, sich selbst in ganz neuen Rollen zu erproben. Konsequenzen muss sie nicht fürchten, denn sie kann jederzeit zurück in die Normalzeit flüchten. Aus dem angepassten Hausmütterchen wird ein Vamp, der in der Auszeit die Männer ausnutzt, so, wie sie selbst in der Normalzeit ausgenutzt wird? Das hätte was.
    Haben Sie meinen Trick gemerkt? Ich habe die Frage auch nicht beantwortet. Was will die Verführerin im Gegenzug für ihr Geschenk? Shakespeares Shylock wollte ein Pfund Fleisch nahe des Herzens, aber das, betonte er, sei ja nur ein Spaß. Das, was der Verführer will, ist anfänglich immer nur ein Spaß. Keine Sorge, diese Bedingung muss nie erfüllt werden, sagt er.
    Die Wette fordert „den Einsatz ihres Lebens“, sagt das Exposé. Ein wenig allgemein, denn was wird konkret passieren, wenn Annette diese Wette verliert? Nimmt ihr die Fee dann das Leben? Aber welche Vorteile hat eine Fee von einer toten Annette? Oder will sie ihre Seele, weil sie sich von Seelen ernährt? Oder ist sie der weibliche Satan, der Brennstoff für sein Fegefeuer braucht? Was auf dem Spiel steht und was die Fee denn nun will, das würde der Leser gerne wissen. Das muss er wissen, wenn er das Exposé beurteilen soll.
    Was könnte es hier sein? Wir brauchen etwas, das zunächstharmlos erscheint, aber später existenziell wird. Das seine tödliche Bosheit erst später enthüllt. Vielleicht fordert die Fee, dass Annette ihren Mann nie verlassen darf, sich in der Auszeit nicht verlieben darf? Sonst überantwortet sie ihre Kinder der Fee?
    Nichts einfacher als das, denkt Annette und schlägt ein. Zunächst geht alles gut, sie nutzt die Auszeit, um ihre geheimen Wünsche auszuprobieren. Ihren Mann und ihre Kinder wird sie deshalb nicht verlassen, Gott bewahre. Doch dann trifft sie den Polizisten Klaus, den Mann ihres Lebens, der so ganz anders ist als das Exemplar, das zu Hause auf sie wartet. Die große Liebe ihres Lebens, wird sie dafür ihre Kinder der Fee überantworten? Oder zurück zu ihrem Mann gehen, den sie nicht mehr liebt, ihrer Kinder wegen?
    Das wäre ein Möglichkeit. Es ist nicht die einzige. Die andere wäre, bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde anzusetzen, das wurde im Exposé schon angesprochen. In der Realität ist Annette eine aufopfernde Ehefrau und fürsorgliche Muter. In der Auszeit ein Vamp, der auf nichts und niemanden Rücksicht nimmt. Anfänglich trennt sie beide Rollen sauber. Doch irgendwann agiert sie auch in der Realität als Vamp.
    Das ist eine zweite Möglichkeit. Sicher gibt es noch andere. Wenn Sie eine gute Idee haben, aber noch keine Geschichte dazu, lohnt es sich, einfach möglichst viele Varianten durchzuspielen. Die besten sind immer die, in denen ihre Idee existenzielle Konsequenzen hat. In denen es um etwas geht.
    Wie findet man die? Am ehesten dadurch, dass man die Konsequenzen der Idee durchspielt. Was könnte schlimmstenfalls passieren, wenn ein Hausmütterchen zusätzliche Auszeit bekommt, ohne Konsequenzen ihres Tuns zu fürchten?
    Lohnend ist auch, sich zu überlegen, an welche Mythen die Idee anknüpft. In unserem Fall ist es der Verführer, der Teufel, der ein Geschenk bereithält. Die Konsequenzen des Geschenks zeigen sich erst später. Der „Faust“ und zahlreiche Teufelssagen geben dafür einen guten Hintergrund ab und liefern Ideen, an die man anknüpfen kann.
    Fällt Ihnen noch etwas an dem Exposé auf und an
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