Dreamboys 01 - Tigerjunge
Im Bett sitzend wählte ich die Nummer von Alain, versuchte es immer wieder. »Pass gut auf Tarun und Sanjay auf, Nick! Und auf dich!«, waren seine Worte gewesen, und ich hatte versagt!
Als Alain sich endlich meldete, überschüttete ich ihn mit der ganzen schrecklichen Geschichte, angefangen vom Anruf der Maharadschas bis zu Taruns Entführung.
»Ich komme sofort zu euch!«, sagte er. Zum ersten Mal hörte ich seine Stimme zittern. »Ich nehme einen Flug nach Basel und dann ein Taxi. Schau inzwischen, was du herausbekommen kannst!«
»Ja, Alain! Komm schnell! Ich liebe dich!«
»Ich liebe dich, Nick!«, sagte er.
Langsam kehrte die Kraft in meinen Körper zurück. Ich wusch mir im Badezimmer das Gesicht und trank ein wenig Wasser. Dann verließ ich das Zimmer und ging mit weichen Knien die Treppe hinunter. Ich befand mich immer noch im Hotel Rondo. An der Rezeption fragte ich barsch nach dem Maharadscha.
»Maharadscha?«, echote der Mann mit der Glatze, der uns vor rund zwei Stunden in die Fürstensuite hinaufgeschickt hatte. »Hier gibt es keinen Maharadscha. Wen meinen Sie, mein Herr?«
Ich war außer mir, schrie und tobte. Die Folge war lediglich, dass man mich aus dem Hotel warf.
»Wer hat das Zimmer bezahlt, in dem ich eben lag, Zimmer 312?«, rief ich noch.
»Sie selbst, mein Herr!«, näselte der Glatzköpfige. Die verfluchten Idioten waren also alle bestochen worden!
Zum Glück traf Oliver zusammen mit der Polizei ein, als ich hilflos vor dem Rondo stand und nicht weiterwusste. Natürlich kannten die Polizisten uns alle schon aus der Lokalzeitung. Ich schilderte den Beamten noch einmal alles genau. Der Einsatzleiter, ein etwa fünfunddreißigjähriger, sehr großer, semmelblonder Kerl, hing an meinen Lippen. Er schmachtete Oliver und mich so deutlich an, dass ich ihn beiseite nahm und ihm einen Deal vorschlug: »Wenn ihr das schafft, Tarun wiederzufinden und unverletzt zu befreien, dann bist du bei uns herzlich willkommen!« Ein Leuchten ging über sein Gesicht.
Einige seiner Leute blieben im Hotel, um das Personal zu vernehmen, aber ich glaubte nicht, dass etwas dabei herauskommen würde. Oliver und mich nahm der Einsatzleiter mit in die Polizeizentrale. Ich befürchtete, dass der Maharadscha mit Tarun sofort zu einem Flughafen aufgebrochen war, um das Land Richtung Indien zu verlassen. Dann fiel mit ein, dass auch Tarun betäubt worden war, mindestens so lange wie ich. Sie konnten nicht mit einem bewusstlosen jungen Mann in ein Taxi oder ein Flugzeug steigen! Eine kleine Chance hatten wir noch! Aber wahrscheinlich hatten sie einen Mietwagen genommen.
In aller Eile erstellten wir am Computer ein Phantombild des Maharadschas. Zusammen mit einem Foto Taruns ging es an alle Polizeizentralen und an Interpol. Die Polizeimaschinerie setzte sich in Gang. Alle Flughäfen wurden benachrichtigt, alle Mietwagenfirmen und alle Taxidienste wurden informiert. Ashutosh würde mit Sumit und seinen Gorillas reisen, das war eine auffällige Gruppe, und Tarun war sowieso auffällig in seiner Schönheit. Oder würde der Kerl, der sein Vater war, ihn in eine Kiste stecken, erneut narkotisiert? Ein Schüttelfrost überlief mich.
»Der City-Flughafen! Hier in Freiburg!«, ächzte Oliver plötzlich. »Vielleicht hat er einen Privatjet dort stehen! Oder ist schon weg!«
Der Semmelblonde, der Enno hieß, stürzte in dem Moment auf uns zu. »Wir haben herausbekommen, wie der Maharadscha nach Freiburg kam!«, rief er aufgeregt. »Er hat einen Privatjet, der hier auf dem City-Flughafen steht! Er hat sich unter dem Namen Sumit angemeldet.«
»Und? Ist er noch da?«, stöhnten Oliver und ich zugleich.
»Es hörte sich laut Tower so an«, sagte Enno.
»Seine Maschine ist schon aufgetankt, er fordert gerade die Starterlaubnis vom Tower an«, rief ein anderer Polizist dazwischen.
»Festhalten!«, schrie ich. »Er darf nicht starten!«
Alle telefonierten gleichzeitig.
»Kommt mit!«, rief Enno. Mindestens dreißig Polizisten liefen aus dem Gebäude und sprangen in die Einsatzwagen. Mit Blaulicht und Martinshorn rasten wir durch die winterdunkle Stadt. Das Flughafengebäude wurde abgesperrt. Die Beamten rannten in schusssicheren Westen und mit gezogenen Pistolen auf das Rollfeld. Oliver und ich liefen einfach mit, ohne Waffe und ohne kugelsichere Weste. Mein Herz hämmerte, als ob es zerreißen wollte.
Die Männer umstellten den indischen Privatjet. Scheinwerfer flammten auf. Im selben Moment fragte der Tower an, ob ein
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