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Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Titel: Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)
Autoren: Stephanie Reimertz
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Niveau von Böhmen.«
    »Haben Sie bald einen Arzt konsultiert?«
    »Einen? Ganze Heerscharen von Medizinern hat diese Grotte der Lust und des Grauens in Augenschein genommen. Sie sind daran vorbeigezogen wie die Gläubigen vor dem Gnadenbild. Nur das Staunen war kein gläubiges, sondern ein ungläubiges. Die Frauenärzte sagten, sie seinen nicht zuständig, sondern die Zahnärzte. Die Zahnärzte brachten kein Zähnchen auch nur einen Zentimeter weit heraus und erklärten die Chirurgen für kompetent. Diese jedoch schüttelten nur den Kopf und erklärten mich für inoperabel. Einige von ihnen verwiesen mich an die Psychotherapie und sagten, das einzige, was man machen könne, sei, mir das Zubeißen abzutrainieren, so daß ich, wenngleich mit Zähnen, ein normales Liebesleben führen könne. Die anderen waren weniger einfühlsam und sagten, für diese Kuriosität sei die Anthropologie zuständig. Sie hätten mich am liebsten ausgestopft und ins Museum verfrachtet.«
    »Haben Sie es mit Psychotherapie versucht?«
    »Jahrelang bin ich in Wien bei einem bärtigen Professor auf der Couch gelegen, dem ich meine freien Assoziationen herunterbeten mußte, während er an seiner Zigarre sog. Er hat eine Reihe von Aufsätzen über mich veröffentlicht und bereitet eine Monographie vor. Mit meinem Fall ist er Ordinarius geworden. Geholfen hat er mir nicht.«
    Nun traf mich ein Blick von der Seite. Die Augen der Fürstin flehten geradezu um Hilfe.
    »Die Wege des Herrn sind unergründlich«, fuhr sie fort. »Und unergründlich sind die Untiefen des Weibes. Meine Abnormität brachte es mit sich, daß ich mir mehr Gedanken über das Frausein gemacht habe als andere Frauen. Was bedeutet es eigentlich, Frau zu sein?«
    Ich empfand diese Frage als an mich, den Frauenarzt, gerichtet und schämte mich, daß ich keine Antwort parat, ja daß ich meiner jahrzehntelangen Berufserfahrung zum Trotz noch nie über die Frau als solche nachgedacht hatte. Sehr früh hatte ich mich für den Beruf des Frauenarztes entschieden, und das aus dem Bauch heraus, aus Abenteuerlust und Neugier auf das unbekannte Land. Philosophische Betrachtungen hingegen lagen mir nicht.
    Da war die Fürstin ein anderes Kaliber.
    »Um der Ursache meines Leidens auf den Grund zu kommen«, erzählte sie, »habe ich sogar Phänomenologie getrieben. Habe Husserl und Heidegger gelesen, bin in den Schwarzwald gefahren. Alles umsonst. Heute bin ich die beste Heidegger-Kennerin im deutschen Hochadel – was nicht schwer ist – , aber meinem eigenen Leiden bin ich keinen Schritt auf die Spur gekommen. Ich habe nur noch viel mehr Männer verletzt, und das nicht nur seelisch. Nach dem zweiten Ereignis, dem der amerikanischen Tycoons zum Opfer fiel, zog ich mich zunächst völlig zurück. Das war der Moment, als ich die Temeschburg herrichten ließ, um möglichst abgelegen meine Tage zu beschließen und der Welt aus den Augen zu gehen. Und das mit Mitte zwanzig! Doch je weniger ich mich in der Öffentlichkeit zeigte, desto mehr beschäftigte ich die Phantasie der Menschen. Der Ruf dessen, was die Leute zu Unrecht meine Schönheit nennen, breitete sich aus wie eine Epidemie. Zwar gab es auch hier und da Gerüchte über eine Blutfürstin in Transsylvanien, die keinen Mann vollständig erhalten aus ihrem Bett lasse, auch hat irgend jemand einen häßlichen Spitznamen in die Welt gesetzt, doch der Strom der Besucher riß nicht ab, das dunkle Gemunkel konnten sich nicht gegen die Fama von der angeblichen Beauté durchsetzen, und vor allem konnte sich niemand vorstellen, daß die Fürstin-Witwe Eleonore von Schwarzenberg mit jener Draculetta, von der der Volksmund nur unter vorgehaltener Hand erzählt, identisch sei.«
    Während wir einen Saal durchquerten, in dem im Stil einer A ntikensammlung Fragmente steinerner Körper aufgestellt waren, fuhr die Fürstin fort: »Als verantwortungsvolle Frau habe ich weitere Versuche nur unter medizinischer Kontrolle gestattet. Wer mein Liebhaber sein wollte, wurde ausführlich instruiert. Jedem wurde freigestellt, das Weite zu suchen. Kam es zum Unvermeidlichen, wartete ein Ärzteteam im Nebenzimmer, alles Plastische Chirurgen aus Böhmen.«
    »Gab es viele, die geflohen sind, al s sie hörten, was ihnen blühte?«
    »Das hat mich am meist en überrascht: Überhaupt keiner! Einerseits scheint die Nähe der Gefahr die Herren geradezu anzustacheln, andererseits hat jeder von ihnen geglaubt, meine Löwennatur werde bei ihnen eine Ausnahme machen, ich
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