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Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Titel: Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)
Autoren: Stephanie Reimertz
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würde vor Staunen erstarren, die Falle werde nicht zuschnappen; im Gegenteil, alle Tore werden vor ihnen weit offenstehen, die Geliebte werde von ihnen hinangestoßen, endlich den Gipfel erklimmen, und sie könnten am Ende als Erlöser dastehen.«
    Tatsächlich hatte ich mir im Laufe ihrer Erzählung ähnliche Gedanken gemacht, sie aber auf meine ärztliche Kunst verschoben. Diese war nun herausgefordert, und mir wurde unruhig unter den Füßen, während ich mit der Fürstin am Arm durch die Burg schritt und mir überlegte, wie ich die Behandlung beginnen solle.
    »Ich habe zwei Kinder zur Welt gebracht, und doch habe ich die Liebe nicht kennengelernt!« stöhnte die Fürstin. »Dafür habe ich viel Leid verursacht und sogar einen Menschen auf dem Gewissen.«
    »Davon wußte ich nichts.«
    »Zum Glück hat es sich nicht herumgesprochen, aber ein junger Rennfahrer aus Südamerika wollte es unbedingt wissen und konnte nicht rechtzeitig operiert werden.«
    Da fiel mir der Name des unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommenen Formel-Eins- Piloten ein.
    »In zwei anderen Fällen konnte das Exemplar nicht wieder angenäht werden. Viele habe ich unglücklich gemacht, besonders jene, welche mich liebten. Niemanden habe ich glücklich gemacht, und niemand hat mich glücklich machen können! Das ist die Strafe.«
    Ich fragte die Herrscherin, wofür dies die Strafe sei.
    »Ich habe etwas fürchterliches getan, und zwar schon vor meiner Geburt.«
    Diese Antwort kam mir dunkel vor, und ich wollte nicht weiter in die Fürstin dringen. Offenbar glaubte sie an etwas wie Erbsünde, und einem solc hen Konzept konnte ich vom wissenschaftlichen Standpunkt nichts abgewinnen.
    »Der einzige Tro st meines Lebens sind meine beiden Kinder, auch wenn sie sich nie bei mir melden. Ich sehe sie nur bei Familienbällen.«
    Diese Bemerkung der Fürstin erinnerte mich daran, daß meine Tochter ihre heutige Rallye ohne ihren Vater absolvieren mußte. Es stellte sich ohnehin die Frage, wann ich meine Frau und die Kinder wiedersehen würde. Ob überhaupt.
    »Sagen Sie, Herr Doktor, habe Sie viele Geburten dirigiert?«
    »Dirigiert scheint mir nicht das richtige Wort zu sein, Euer Gnaden. Und offengestanden, vor der Geburtshilfe habe ich mich immer gedrückt, auch wenn diese zu meinem Berufsfeld gehört. Ich fand, der Punkt, an dem ich in der Frauenheilkunde stehe, ist bereits der entscheidende Ort; der Scheidepunkt von Licht und Schatten, von Gut und Böse. Menschen zur Geburt zu verhelfen, also vom Nichtsein zum Sein zu befördern, wäre mir der Metaphysik zuviel. Außerdem haben wir in Frankreich ausgezeichnete Hebammen, die wir femmes sages nennen, weise Frauen, und mit deren Geheimwissen ich nicht konkurrieren will.«
    »Leben zu schenken ist das schönste, was ein Mensch tun kann«, rief die Gebieterin aus und schritt voran durch eine Flucht von Zimmern und Kammern, die mit rosa, roter und violetter Seide ausgeschlagen waren. Ich überlegte, ob es mir wenigstens vergönnt sein würde, sie von ihrer Bissigkeit an der falschen Stelle zu heilen und ihr damit auf meine Weise neues Leben zu schenken, wenn ich mich schon ansonsten nicht als Geburtshelfer hervortat.
    Am Ende kamen wir in ein Kabinett, dessen Wände mit einem Samt in dem Bordeaux ihres Kleides bespannt waren. Hier stand ein Gestell, das dem entsprach, was man in einem Museum der Medizingeschichte als Gynäkologiestuhl aus der Zeit der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert erwarten mochte. Es war ein phantastisches Gerüst aus vergoldetem und versilbertem Messing, Elfenbein und Schildpatt. Neben dem Gefüge stand in einem weißen Kittel die Comtesse mit zwei Handtüchern über dem Arm.
    Ohne Aufforderung erklomm die Fürstin den Sessel. Als sie anfing ihr Kleid zu raffen, fiel mir etwas ein. Und wie , um mir noch eine Gnadenfrist zu verschaffen, bevor ich das Unsagbare in Augenschein nehmen mußte, entwickelte ich der Patientin eine Theorie ihres Leidens.
    »Es ist doch interessant, daß der Fürst mit Ihnen ohne Gefahr verkehren konnte. Sie haben ihn wohl geliebt.«
    »I ch war jung.«
    »Sie müssen sich nicht dafür entschuldigen, daß Sie geliebt haben. Im Gegenteil. Meine Theorie besagt, daß die späteren Liebhaber wohl Ihre Lust, aber nicht Ihre Liebe zu entfesseln vermochten, und daß darum jener Löwenrachen, den wir nicht beeinflussen können, sein Urteil ü ber diese Männer und über Ihre Verbindung mit Ihnen gesprochen hat, indem er das Verbindungsglied zwischen Ihnen beiden
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