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Drachenmeister

Drachenmeister

Titel: Drachenmeister
Autoren: C. Bertelsmann
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sie nichts außer der eigenen Leidenschaft wahrgenommen hatte. Er entspannte sich.
    »Wenn die Brise anhält, sind wir morgen Mittag im Süden«, erklärte Menolly und gab geschickt Leine zu, bis der Wind das rote Segel mächtig blähte.
    Dann saß sie am Steuer und winkte Sebell zu sich. Der Harfner wich während der langen, sternklaren Nacht nicht von ihrer Seite.
    Menolly hatte einen guten Seefahrerinstinkt, denn die Sonne hatte kaum den Zenit erreicht, als das kleine Boot in die malerische Bucht einfuhr, die der Burg des Südens als Hafen diente. Sebell zählte die Schiffe, die vor Anker lagen, und wunderte sich, dass die drei größten Segler fehlten. Er konnte sich kaum vorstellen, dass sie in der Mittagshitze zum Fischfang ausgelaufen waren.
    Plötzlich tauchte Prinzesschen auf und begrüßte sie stürmisch. Rocky folgte ihr und landete mit großer Würde auf der Spiere. Menolly holte ihn herunter und streichelte ihn liebevoll, aber nach einer Weile lachte sie laut auf.
    »Was findest du so komisch?«, erkundigte sich Sebell.
    »Er hat ganz sicher ein grünes Weibchen aufgestöbert. Sieh
nur, wie selbstgerecht er dreinschaut! Und in mir versucht er, Schuldgefühle zu wecken!«
    »Hallo, ihr da unten! « Eine sonore Stimme lenkte ihre Aufmerksamkeit zu der steil aufragenden hellen Klippe am Ende des Hafens. An einem Felsvorsprung auf halber Höhe entdeckten sie die hochgewachsene Gestalt des Burgherrn Toric; der Mann winkte ihnen gebieterisch. »Nun kommt endlich in den Schatten, sonst zerfließt ihr noch!«
    Begleitet von Prinzesschen und Rocky, wateten sie an Land, während Kimi und Taucher immer noch an Deck schliefen. Sebell ließ Menollys Hand nicht los, als sie über den heißen Sand zu den Stufen der Klippe liefen.
    Toric war von seinem Platz verschwunden, als sie ankamen, aber die beiden waren mit den Gepflogenheiten des Südens vertraut, und sie fanden es nur vernünftig, dass die Burgbewohner der brütenden Hitze entflohen, wann immer sie konnten.
    Toric hatte den Platz rund um den Eingang dick mit Muscheln aufgestreut und hielt so die üppige Dschungelvegetation von der Felsenburg fern. Außerdem warnten ihn das Knirschen und Splittern der Muschelschalen, wenn Besucher im Anmarsch waren. Der Burgherr erwartete sie im Torbogen des Hauptportals und begrüßte sie mit einem so kraftvollen Händedruck, dass ihnen die Finger schmerzten.
    »Die Botschaft, die Prinzesschen übermittelte, war ja reichlich knapp gehalten«, meinte er, während er sie zu seinen Privaträumen geleitete.
    Die Burg des Südens unterschied sich in vielen Dingen von den Anlagen des Nordkontinents. So war sie zu dieser Tageszeit völlig unbewohnt. Die geräumige untere Höhle wurde als Speisesaal genutzt; bei schlimmen Stürmen oder Sporenregen bot sie allen Bewohnern Schutz, die sich in der Umgebung angesiedelt hatten. Die Südländer zogen es vor, in leichten Hütten zu leben, die sie im Schatten des dichten Waldes oberhalb der Klippe errichtet
hatten. Wehte der Wind nämlich aus der falschen Richtung, so konnte es in der Höhle unerträglich heiß werden. An diesem Tag jedoch war die Temperatur im Vergleich zur Hitze draußen angenehm. Toric ließ ihnen gekühlten Fruchtsaft reichen.
    Der Burgherr war ein Mann der knappen Worte, und so begann Sebell ohne lange Einleitung: »Um Prinzesschens Botschaft zu vervollständigen - Meron ist tot, und sein Nachfolger, Baron Deckter, möchte von Anfang an klarstellen, dass er sich an die Verträge seines Vorgängers nicht gebunden fühlt.«
    »Das erleichtert mich. Ich hatte insgeheim darauf gehofft. Mardra und T’kul werden allerdings weniger begeistert sein. Vielleicht versuchen sie, Baron Deckter zu bestechen...«
    »Der Mann bleibt fest.« »Gut für ihn.« Toric lachte vor sich hin und schüttelte den Kopf. »Mardra hatte ohnehin die Absicht, Meron jedes taube Echsenei unterzujubeln, das sie nur finden konnte. Sie war wütend, weil einer der großen Säcke halb leer ankam.«
    »Halb leer?« Sebell warf Menolly einen Blick zu. »Ja, die Schlinge und eine Seitennaht hatten sich gelöst, und Mardra glaubt fest, dass ein Teil der kostbaren Fracht, die sie beim Meisterweber bestellt hatte, im Dazwischen verloren ging. Warum?« Toric fing die Blicke auf, welche die beiden Harfner tauschten. »Ach so - der vermisste Junge, nach dem ihr euch vor einigen Siebenspannen erkundigt hattet! Ihr glaubt, dass er in diesem Sack nach Süden gelangt ist?«
    »Es wäre immerhin eine Möglichkeit.«
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