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Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung

Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung

Titel: Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung
Autoren: Ashan Delon
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Sebastians bedenkenlose Neugier musste selbst vor seiner Notizmappe nicht haltgemacht haben.
    „Leg das hin! Sofort!“, donnerte er, sprang von seinem Schreibtischstuhl und überwand die Distanz mit wenigen, langen, weit ausholenden Schritten, um seinem Bruder die Feder zu entreißen. Dieser bewies trotz seiner dicklichen Statur erstaunliche Reflexe und entzog ihm die Hand blitzschnell, ehe ihm das Fundstück abgenommen werden konnte. Jonas setzte sofort nach. Abermals zuckte Sebastians Hand rechtzeitig zurück, sodass der Griff ins Leere ging.
    „Gib es her!“, rief Jonas wütend, packte den Jungen, zerrte ihn herum, um an die Feder in dessen Rücken zu kommen und versuchte es ein weiteres Mal, sie ihm zu entreißen. Mit überraschender Geschicklichkeit entwand sich Sebastian und wich breit grinsend zurück, die Feder triumphierend herumwedelnd.
    „Du verdammter Bastard. Gib sie her!“ Jonas war kurz vor dem Platzen. Er stürzte sich auf seinen kleinen Bruder. Es entstand ein Gerangel und eine Jagd durch die ganze Wohnung, die irgendwann in der Küche endete, als Jonas ihn in die Lücke zwischen Kühlschrank und Zimmerecke drängte. Er streckte die Hand danach aus. „Gib sie her!“
    Sebastian schüttelte breit grinsend den Kopf. „Hast du sie von deiner Süßen?“, rief er provozierend und mit einem schelmischen  Blick, zog seine Lippen zu einer Kussschnute zusammen und machte das übertriebene Geknutsche nach, das Erwachsene seiner Meinung nach machten, wenn sie allein waren.
    Jonas knurrte wütend und unternahm einen weiteren Versuch, ihm die Feder zu entreißen. Er erwischte den Ärmel des grünen Shirts seines Bruders und zerrte ihn heftig an sich, sodass das Gewebe entsetzt knirschte und sicherlich auch einige Nähte rissen. Erneut entstand ein Gerangel. Diesmal endete es jedoch abrupt, als im allgemeinen Handgemenge die Feder brach und sich die scharfkantigen Splitter am Federkiel tief in Jonas' Handgelenk bohrten.
    Jonas schrie erschrocken auf. Sebastian ließ die Feder vor Schreck los.
    „Verdammt!“, kreischte Jonas und zog den zerbrochenen Federkiel langsam aus seiner Haut, angelte auf der Anrichte nach der Rolle Küchenpapier und riss hektisch einige Blätter davon ab. Die Feder flatterte achtlos auf den Boden.
    „Da läuft was raus“, sagte sein Bruder alarmiert.
    Jonas sah auf den Boden, wo die Feder lag. Etwas Grünschwarzes, Zähflüssiges floss aus dem zerbrochenen Kiel und verteilte sich so langsam und quälend wie Blut auf dem weißen Fliesenboden der Küche.
    „Verdammt!“, fluchte Jonas abermals und kämpfte gegen eine rasch aufwallende Panik an. Er drehte den Wasserhahn voll auf, tauchte einige der Tücher unter den harten Strahl und presste es gegen die Wunde. Knapp unterhalb der Einstichstelle drückte er auf den Arm und presste das Blut samt Flüssigkeit heraus, die eventuell eingedrungen sein könnte. Tatsächlich quollen zuerst dunkle, fast schwarze Blutstropfen hervor, die leise auf die weißen Kacheln platschten. Als nach einigen dicken, beängstigend dunklen Tropfen wieder leuchtend rotes Blut aus der Wunde quoll, sog er erleichtert die Luft ein.
    „Verflucht nochmal!“, kreischte er, noch immer aufgebracht und rasend vor Wut. Er warf die blutgetränkten Tücher in die Spüle und rollte sich hektisch neue von der Rolle, die prompt von der Arbeitsfläche herunterfiel und in die andere Ecke rollte, weitere Tücher entrollend. „Verflucht, Basti!“, fuhr er seinen kleinen Bruder an. „Warum kannst du nicht einer dieser normalen, kleinen Brüder sein, die still dasitzen und ihren großen Bruder anhimmeln?“
    Sebastian sah ihn erschrocken an, offenbar entsetzt über die Heftigkeit, mit der sein Bruder die Verletzung getroffen hatte, und blickte schuldbewusst zu Boden.
    „Tschuldigung“, gab er kleinlaut von sich.
    Selbst wenn ihn sein kleiner Bruder die meiste Zeit nervte und er ihn am liebsten in die Hölle wünschte, wusste er jedoch genau, dass er ihn vermissen würde. Als Kleinkind war sein Bruder schwer an Keuchhusten erkrankt. Jonas hatte sich große Sorgen um ihn gemacht und war sogar in die Kirche gegangen, um eine Kerze für ihn anzuzünden. Abgesehen davon wusste er selbst nicht mehr, warum er wegen dieser blöden Feder einen solchen Aufstand gemacht hatte. Sie war nichts weiter als eine harmlose Vogelfeder.
    Er seufzte leise und sein strenger, wütender Blick lockerte sich. „Es ist manchmal verdammt schwer, mit dir auszukommen“, sagte er wesentlich
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