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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot
Autoren: Robert Low
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überlegen, was hätte sein können. Mir scheint, ich höre mit meinem einen Ohr besser als du mit deinen beiden.«
    Da war er wieder, dieser Schwur. »Odins Geschenk ist immer ein Fluch«, sagte ich resigniert, denn ich wusste, er hatte recht. Jede Feier brachte das unvermeidliche Bragafull  – die Trinksprüche und die wilden Versprechungen –, denen später, wenn das Trinken uns schwermütig gemacht hatte, die Minni folgten, wenn die Trinkhörner zum Gedenken an die Toten erhoben wurden. Beide waren immer schwerer zu ignorieren.
    Dieser Hof hatte doppelt starke Mauern, die tief in die Erde gebaut waren. Sie schützten vor Wasser und Wind, und wenn man darin saß, fühlte man sich so unverrückbar wie der Runenstein, den ich errichten lassen wollte. Und doch wollte ein wütender Sturm uns hier wegblasen, und ich roch den Tang und den Salznebel, der über den Kamm des Hügels zu uns drang. Es war der Atem des Tiers am Stevenkopf, das schnaubend an der Ankerkette zerrte und sich befreien wollte.
    Eine Weile noch saßen wir im Rauch, der durch die Halle zog, hörten auf den Wind, der an der Tür rüttelte, während Botolf, jetzt mit mehr Bauch als Muskeln, sein geschnitztes Holzbein ausstreckte, um den Stumpf zu entlasten, und den Kindern Geschichten erzählte.
    Er erzählte ihnen von dem Riesen Geirrod, von Thors
Reise nach Utgard, wie man Iduns Äpfel gestohlen hatte und von Otters Lösegeld. Diese letzte Geschichte erzählte er absichtlich, glaube ich, denn sie erwähnte den Drachen Fafner, den Schmied Regin und einen verwünschten Silberschatz, nämlich genau den, der geschickt wurde, um mit Attila begraben zu werden – und den wir gefunden hatten.
    »Bei Thors Eiern, Thorgunna«, brummte der rote Njal, »ein Mann bewährt sich auf See, eine Frau am Kochtopf, wie meine Großmutter immer gesagt hat. So gut zu essen bekommt Jarl Brand bestimmt nicht.«
    »Doch, bekommt er«, sagte Thorgunna, »aber bei ihm kommt noch Zimt mit rein, wie ich gehört habe. Und pass auf dein loses Mundwerk auf.«
    »Zimt«, murmelte Gisur. »Ziemlich ausgefallen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das hier noch etwas verbessern könnte.«
    »Wir hatten mal ganze Eimer von dem Zeug«, sagte Hauk Schnellsegler, den ich gerade zur Seite schob, um einen Platz auf der Bank etwas näher am Feuer zu bekommen. Mir stand zwar der Hochsitz zu, aber er war einfach zu weit weg von der Wärme.
    »Weißt du noch, Orm?«, fragte er und gab mir einen Stoß, sodass mir der Eintopf über die Hand schwappte. »Auf der Insel, wo wir gegen die Piraten aus Serkland kämpften? Wir haben den toten Dänen als Rammbock benutzt, um in ihre Festung zu kommen.«
    »Das war später«, sagte Kvasir und wischte sich Bier vom Bart. »Die Insel, wo wir den Zimt fanden, war da, wo diese Männer von Starkad gefangen genommen worden waren, denen die verfluchten Kameltreiber die Schwänze und die Eier abgeschnitten hatten und die sich dann vor Scham umbrachten. Der Letzte rannte sich dann an der Mauer den Schädel ein.«
    »Das klingt, als hätte ich da so einiges verpasst«, sagte Thorkel in die Stille, die darauf folgte. Ich ignorierte ihn, doch ich merkte beim Essen, wie er mich ansah.
    Der Rauch schlängelte sich nach oben und zog durch die Öffnungen ab, hinaus in Wind und Regen, und ich hörte dem roten Njal und Hasenscharte zu, die darüber stritten, wo andere Feinde und alte Rudergefährten umgekommen waren. Alle waren sie fort, bleiche Gestalten, die als Folgegeister auf schwarzem Wasser durch meine Träume trieben.
    Thorgunna war leise hinter mich getreten, zog mein Haar nach hinten und band es zusammen.
    »Damit es dir nicht ins Essen hängt«, sagte sie leise. »Übrigens sind dies keine Geschichten für Kinder.«
    Finn warf seine Schale ärgerlich auf den Boden und stand auf, während die Hirschhunde sich unter uns mischten, Teller und Finger ableckten und Reste verschlangen. Cormac krabbelte zwischen ihnen herum und lachte.
    »Vielleicht sollten wir den hier mal auf die Hirschjagd schicken, ehe der Winter kommt«, lachte Botolf und hob den strahlenden Jungen hoch. Aoife grinste, und Ingrid durchbohrte sie mit ihren Blicken.
    Finn sah sie an, dann mich, dann schüttelte er den Kopf und stapfte in den Regen hinaus.
    »Warum macht Finn ein Gesicht wie eine Ziege, die eine Wespe im Maul hat?«, wollte Botolf wissen, während Ingrid Aoife noch immer anstarrte und sich an seinen Arm hängte.
    »Er denkt, wir führen hier ein zu ruhiges Leben und
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