Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot
Autoren: Robert Low
Vom Netzwerk:
verweichlichen langsam«, sagte Kvasir, der seinen Teller mit Brot abwischte, das sofort im Rachen eines Hirschhundes verschwand. Er sah seine Frau liebevoll an. »Er schimpft darüber, wie wir sprechen und dass wir uns die Haare
schneiden lassen. Er findet, dass wir aufbrechen sollten, um einen Silberschatz zu heben.«
    Botolf, der wusste, was er meinte, brummte nachdenklich. Thorgunna schnaufte nur, sie hielt es für nichts als die typische Rastlosigkeit von Kriegern.
    »Dann geht auf eure Raubzüge, aber wenn ihr mich fragt, dann ist das keine Beschäftigung für ehrliche Männer. Aber wenigstens strengt ihr euch dann etwas an, um für euer Essen zu sorgen. Mir scheint, dass Jarl Orm mit euch Faulpelzen viel zu nachsichtig ist.«
    Mit vielsagendem Geklapper sammelte sie das Geschirr ein und bedachte mich im Vorbeigehen mit einem ihrer Blicke. Niemand sprach, denn ein bekanntes Sprichwort sagt, dass man mit einer Frau nur auf zweierlei Arten streiten kann, von denen keine funktioniert.
    Eine unbehagliche Stille breitete sich aus.
    »Falls du wieder mit der Geschichte von Otter anfangen willst«, sagte ich zu Botolf, »mach stattdessen lieber Musik.«
    Botolf grinste und holte seine Handtrommel, und Hauk fischte seine Flöte aus der Tasche, und zusammen flöteten und trommelten sie, und die Kinder sangen und tanzten, und selbst die Leibeigenen in ihren Kopftüchern und den tristen grauen Kitteln aus Vadmaltuch machten mit. Für eine kurze Zeit vergaßen sie, dass sie bewegliches Eigentum mit durchgewetzten Ellbogen waren. Mich hat es schon immer erstaunt, welche Macht die Musik von Flöten und Trommeln hat.
    Das, was sie da trieben, war neuerdings heidnisch, dank der Priester des weißen Christus. Die Handtrommel ist jetzt ein heidnisches Instrument, und gesunde muntere Kinder sind plötzlich Bastarde, wo doch zu Zeiten, als wir noch zu Odin gehörten, ein Kind so gut und wertvoll war wie das andere.
    An jenem Tag, als der Wind gegen die Mauern der Halle donnerte und den Regen vom Meer hertrieb, war diese Szene so herzerwärmend, wie sie sich ein Seemann auf einem schaukelnden, schlingernden Deck nur erträumen konnte – aber irgendwo, da war ich sicher, hatte Odin die Nornen wieder überredet, ein blutiges Scharlachrot in das Tuch unseres Lebens einzuweben.
    Dieser Gedanke machte mir sehr zu schaffen. Ich ging hinaus in die Nacht, die nach Regen und Meer roch, zu den Pferdeställen. Die Tiere wieherten und stampften, sie waren es nicht gewohnt, eingesperrt zu sein, und Staub und Spreu stoben auf. Im Dunkel schien es hier plötzlich sehr eng, als ob eine Menge ungesehener Personen mich umgäben.
    Ich fühlte sie, die verborgenen Toten der Eingeschworenen, die sich fragten, wofür sie ihr Leben hingegeben hatten, und mir zog sich der Magen zusammen. Ich dachte, ich hörte jemanden lachen, und die Dunkelheit war merkwürdig, irgendwie schien sie zu glühen.
    Es kam von draußen, am Himmel, wo im Norden feine Streifen von grünem und rotem Licht tanzten. Ich hatte es schon vorher gesehen, also hatte es nichts Beängstigendes, und doch bekam ich beim Geheimnis des Fuchsfeuers jedes Mal eine Gänsehaut.
    Andere offenbar auch. Thorkel erschien in der Finsternis und stellte sich neben mich.
    »Trollfeuer«, sagte er verwundert. »Manche sagen, das Rot in diesen Feuern bedeutet eine Schlacht, wenn die Krieger in Walhall miteinander kämpfen.«
    »Ich habe gehört, es bedeutet, dass Drachen miteinander kämpfen, und ist ein schlechtes Omen«, erwiderte ich. »Vorzeichen von Pest und Krieg.«
    »Es bedeutet nichts weiter«, mischte sich in diesem Moment
eine weitere Stimme ein, »als dass der Winter früh kommt und hart wird, sodass selbst die Flammen gefrieren.«
    Wir drehten uns um und sahen Finn, der in seinen dicken grünen Umhang gehüllt auf uns zukam, die Dampfwölkchen von seinem Atem mischten sich mit unseren.
    »Es wird kalt sein auf See, wenn wir losfahren«, fügte er hinzu, und seine Worte hingen in der Luft wie die Lichtschleier am Himmel.

Es dauerte nicht lang, bis Odin mir seine Wünsche unmissverständlich klarmachte. Ich wachte davon auf, dass Aoife, die in meinem geschlossenen Bettkasten bei mir gelegen hatte, aufstand, um nach Cormac zu sehen. Es war kalt in der Halle, in der alle anderen so dicht wie möglich am Feuer schliefen, je nachdem, wie man es ihnen erlaubte. Und nachdem Aoife mich verlassen hatte, wurde mir noch kälter.
    Thorgunna und Ingrid waren schon auf, die eine kam zielstrebig auf mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher