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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot
Autoren: Robert Low
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Speer, möge er uns bis in die neun Reiche und darüber hinaus verfluchen, wenn wir diesen Schwur gegeneinander brechen.
    Ein harter Schwur. Einmal abgelegt, galt er lebenslänglich oder bis man durch jemand anderen abgelöst wurde, was durch Absprache geschehen konnte, oder durch die Herausforderung eines Hoffnungsvollen. Ich hatte nicht
erwartet, dass Odin uns vergessen hatte, wahrscheinlich war er nur für eine Weile eingenickt – aber ich hätte es besser wissen müssen; Allvater, der Einäugige, schläft nie, und wenn er schläft, ist sein Auge dennoch halb offen.
    Also sagte ich seufzend zu. Es würde geschehen, sobald ich gemeinsam mit Finn und Kvasir entschieden hatte, wohin unser nächster Raubzug gehen sollte.
    Ich hoffte, das Wetter würde sich ändern. Dass wir statt der wässrigen Sonne und des Regens, den uns der milchig-graue Himmel immer wieder bescherte, etwas Stärkeres bekommen würden, einen Sturm, der wie der Atem Thors durch die Kiefernwälder fuhr und das Meer aufpeitschte, sodass es nur noch aus Schaum und wehender Mähne bestand. Denn damit wäre die ganze Sache erledigt, zumindest für dieses Jahr, hoffte ich. Denn wenn Jarl Brand hörte, dass Leute aus seinem Land auf Raubzug gingen  – zusätzlich zu den Fehden, die sie mit ihren Nachbarn hatten –, hätte das für uns hier in Hestreng nichts Gutes zu bedeuten.
    Aber ich hatte vergessen, dass Thor zwar seinen Hammer aus Gewitterwolken schleudert, Odin hingegen seine Treffer lieber aus einem wolkenlosen Himmel schickt.
    Der Treffer kam, als wir mit der Fjord Elk eine Probefahrt aufs Meer machten. An einem Tag wie Silber und Zinn, mit graugrüner See und Möwen, die hoch über uns kreisten. Ein guter Tag, um herauszufinden, ob sie sich leicht segeln ließ, an dem es, wie Gisur sagte, genug Wind gab, dass Rudern fast überflüssig wurde.
    Die Männer brachten ihre Seekisten angeschleppt, um sie bei den Dollen abzustellen. Die Iren, die fast alle nur zur Hälfte dänisches Blut hatten, waren keine besonders erfahrenen Seeleute und reckten beim Anblick der Schilde und Speere die Hälse.
    »Gehen wir denn auf Raubzug?«, wollte Ospak wissen. Der rote Njal, der gerade an ihm vorbeigestapft kam und mit den Stiefeln um den Hals ins seichte Wasser platschte, ließ ein kurzes, bellendes Lachen hören. Ein paar von der alten Mannschaft stimmten ein, denn für sie war es selbstverständlich, dass unsereiner ohne Klinge nicht einmal zum Scheißen ging.
    »Ein Lächeln hat schon so manche Klinge stumpf gemacht«, rief der rote Njal über die Schulter nach hinten, indem er seinen Schild auf die Ducht schwang, »aber für diejenigen, die finster gucken, ist eine Klinge geeigneter, wie meine Großmutter zu sagen pflegte.«
    Der Wind schlug mir meine Zöpfe ins Gesicht, und über mir blähte sich ungeduldig das herrliche neue Segel. Das Tier am Bug glitt an einer langen Welle hinauf und auf der anderen Seite wieder hinab, und ich hörte, wie Onund und Gisur vor Entzücken laut aufschrien. Verstohlen sah ich Finn an, der vor sich hin murmelte und seinen zerbeulten breitkrempigen Hut festhielt.
    Er bemerkte mich und runzelte die Stirn.
    »Das ist ein ziemlicher Hut voll Wind«, knurrte er. »Ich glaube, wir sollten den alten Ivar aufsuchen, damit er uns sagt, wie man es macht.«
    Der alte Ivar war ohne seinen berühmten Wetterhut und alle weiteren Besitztümer nach Gotland geflohen, und es war höchst unwahrscheinlich, dass er Leuten wie uns seine Geheimnisse verraten würde. Aber das brauchte ich Finn nicht zu sagen. Eine Weile standen wir da, er drehte seinen Hut bald in die eine, bald in die andere Richtung und murmelte die Zaubersprüche, die er von Klepp gelernt hatte. Ich merkte, wie die Haut in meinem Gesicht sich von der Salzluft spannte.
    Wir segelten vor dem Wind, bis Gisur und Hauk uns sagten,
dass wir umkehren könnten. Sie wüssten jetzt, welche Beitass- und Rakki-Taue noch nicht richtig befestigt seien und was sonst noch korrigiert werden müsse. Damit drehten wir in den Wind, bis er das große gestreifte Segel gegen den Mast drückte. Seufzend nahmen die Männer auf den Ruderbänken Platz und fingen an, zur Küste zurückzurudern.
    Wir waren nur leicht besetzt, der Wind blies ablandig, und die Fjord Elk tanzte übers Wasser, während die Männer Onund immer wieder begeisterte »Heyas« zuriefen, dafür, dass er ein so feines Schiff gebaut hatte. Er jedoch saß in seinen Pelz gehüllt da und beobachtete kritisch, wie viel Wasser sich
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