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Dr. Gordon verliebt

Dr. Gordon verliebt

Titel: Dr. Gordon verliebt
Autoren: Richard Gordon
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hab deine Mutter kennengelernt, als sie sich auf meiner Vortreppe eine Pottsche Fraktur zuzog. Immerhin...» Er spielte mit dem Blutdruckmesser auf seinem Schreibtisch. «Glaub ja nicht, daß ich mich in deine Angelegenheiten einmengen will, Richard — verdammt nochmal, du bist ein diplomierter praktischer Arzt und gehörst daher zu den wenigen Leuten, denen man von Rechts wegen mehr gesunden Menschenverstand zutraut als dem Durchschnittsbürger — aber meinst du nicht, daß du dieses Mädel ein bißchen besser kennenlernen solltest, bevor du den Entschluß faßt, das nächste halbe Jahrhundert in ihrer Gesellschaft zu verbringen? Hast du ihr schon einen Antrag gemacht?»
    «Eigentlich nicht, Vater. So dramatisch ist es noch nicht zugegangen. Ich hab an die Ehe nur... na, so im allgemeinen gedacht. Ich glaub nicht, daß Sally überhaupt weiß, daß ich sie tatsächlich jetzt schon heiraten möchte.»
    Er zog die Brauen empor. «Na, ich kann nur hoffen, daß es eine nette Überraschung wird.»
    «Aber ich denke wirklich, daß ich sie eines Tages heiraten möchte», fuhr ich eifrig fort. «Natürlich hab ich schon eine Menge Freundinnen gehabt — wie alle im St. Swithin —, aber bei keiner einzigen hab ich so viele liebenswerte weibliche Vorzüge vereint angetroffen. Weißt du, sie ist so —»
    Das Telephon klingelte.
    «Einen Moment, Richard. Hallo, ja? Bin am Apparat. Ja. Schön, ich komme in fünf Minuten. Ein Tobsuchtsanfall in der Nähe des Bahnhofs», erklärte er mir. «Ein alter Fall von progressiver Paralyse, den ich seit Jahren betreue. Hat mich sehr gefreut, von deinen Plänen zu hören, Richard. Wir müssen einmal eingehend darüber sprechen. Wie heißt die Betreffende doch gleich?»
    «Sally.»
    «Sally. Hör mal, wir werden das Ganze begießen, wenn ich von diesem Fall zurückkomme. Dann kannst du mir alles über sie berichten.»
    Doch nach dem Tobsuchtsanfall hinterm Bahnhof und den Gallensteinen im Grand Hotel gab es noch eine akute Harnverhaltung unten an der Straße und eine Fraktur in der Autobusremise, so daß mein Vater erst um halb zwei Uhr nachts nach Hause kam. Da ich am nächsten Morgen einen Frühzug besteigen mußte, verließ ich mein Elternhaus, ohne über meine theoretische Gattin gesprochen zu haben.
    Der Termin meiner Arbeitswiederaufnahme wurde weniger durch meine physische Verfassung diktiert als durch Sallys bevorstehende drei Dienstfreie Nächte, von denen sie zwei brav bei ihrer Mutter daheim in Barnet zu verbringen gedachte. Sobald ich im St. Swithin eingetroffen war, ließ ich ihr ein Billet zukommen, in dem ich sie für den nächsten Abend um ein Rendezvous bat. Da ich durch meine lange Bettruhe unfreiwillig etwas Geld auf die Seite gelegt hatte, konnte ich ein elegantes Restaurant in Soho ins Auge fassen, in dem ein sizilianisches Brüderpaar das trachtionelle Bandentum ihrer Familie mit Erfolg fortsetzte. Es war ein kleines Lokal und dermaßen mit Tischen, Kellnern und Gästen vollgepfropft, daß es auf Schwierigkeiten stieß, die berühmten Spaghetti zu verzehren, ohne sie mit dem Spargel des Tischnachbars zu verwickeln. Doch es besaß eine Damenkapelle, bestehend aus Zigeunerinnen vom Charing Cross Road, und einen Geiger, der den Mädchen anfeuernd auf den Ausschnitt blies, und ich hielt es für eine Örtlichkeit, die glänzend zu einem Heiratsantrag paßte.
    Als ich an diesem Vormittag im Laboratorium saß und aufgewühlt die Stunden dahinstreichen ließ, tauchte zu meiner Überraschung Hinxman auf. Er hatte es nicht nur abgelehnt, nach meir ner Rückkehr mit mir zu sprechen, sondern war mit Nachdruck aufgestanden und aus meinen Arbeitsräumen gegangen, als ich sie betreten hatte. Nun schien er verzweifelt bemüht, ein Gespräch anzuknüpfen. Nachdem er einige zerstreute Kommentare über die Toleranzgrenze bei Zuckerkrankheit von sich gegeben hatte, platzte er heraus, sobald die anderen Laboranten sich außer Hörweite befanden: «Sie ist fort.»
    «Fort? Wer ist fort?»
    «Sally Nightingale, natürlich.»
    Ich starrte ihn an.
    «Aber wohin?»
    «Auf Nimmerwiedersehen fort.»
    «Nein!»
    «Doch. Hat einfach heute morgen ihre Sachen gepackt und das Spital verlassen. Warf noch im Vorübergehen ihren Abschiedsbrief in den Postkasten der Schwester Oberin.» Er ließ sich schwer auf einen Arbeitsschemel fallen. «Ich hab’s eben von der Honestas-Schwester gehört.»
    Zuerst war ich vollkommen verwirrt. «Aber warum hat sie das, um Himmels willen, getan? Sie schien doch auf
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