Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre
Autoren: Jefferson Bass
Vom Netzwerk:
hierher versetzt worden. Unterhalb davon lag ein ausgedehntes Hotel mit weißen Säulen – derselbe Jahrgang wie die Kirche, doch bei weitem nicht im selben makellosen Zustand –, das sich hinter mit Brettern vernagelten Fenstern und abblätternder Farbe versteckte. Verblasste Buchstaben über der breiten Veranda sagten uns, dass das Hotel das ALEXANDER INN war, das ehemalige Gästehaus des Manhattan-Projekts, und die vier Streifenwagen der Polizei von Oak Ridge, die mit laufenden Motoren und dampfenden Auspuffen davorstanden, verrieten uns, dass wir hier richtig waren.
    Ich parkte neben den Autos, und wir stiegen aus. Obwohl die Sonne vom Himmel schien, war der Tag bitterkalt: mindestens minus fünf Grad und so windig, dass es einem erheblich kälter vorkam. Schlimmer noch war, dass dies der wärmste Tag seit einer Woche war und die Nachttemperaturen bei um die zwanzig Grad minus lagen. Als der Wind mir in die Wangen biss, fuhr ich zusammen und überlegte: Wo bleibt die globale Erwärmung, wenn man sie einmal braucht?
    Ein uniformierter Beamter duckte sich kläglich hinter den hüfthohen Zaun, der den Swimmingpool des Hotels umgab. Als Miranda und ich ans Tor traten, öffneten sich die Türen der Polizeiwagen, und zwei weitere uniformierte Beamte kamen zögerlich heraus, gefolgt von zwei Beamten in Zivil. Der eine war Leutnant Dewar, der Leiter der Abteilung für Schwerverbrechen, der andere, Detective Emert, würde die Ermittlungen in diesem Fall leiten.
    Wir schüttelten uns in der Runde die behandschuhten Hände, dann führten Dewar und Emert uns durch das Tor an den Rand des Pools. Obwohl das Hotel aus den 1940er-Jahren stammte, sah der Pool selbst – von bescheidener Größe und nierenförmig – eher so aus, als wäre er später, in den Sechzigern, hinzugekommen. Überdies schien er seit den Sechzigern weder geleert noch sauber gemacht worden zu sein; er war fast voll, und der Kälteeinbruch hatte das grünschwarze Wasser in grünschwarzes Eis verwandelt.
    In dem schmuddeligen Eis in der Nähe des tiefen Endes des Pools war eine Leiche eingefroren, mit dem Gesicht nach unten, Arme und Beine weit von sich gestreckt. Obwohl die Gestalt der Leiche durch zahlreiche Lagen Winterkleidung verhüllt war, war der Kopf unbedeckt. Der kahle Schädel ließ mich vermuten, dass es sich um einen Mann handelte.
    »Wow«, sagte Miranda. »Ich habe ja schon viele Leichen auf Eis gesehen, aber noch nie eine in Eis. Wie wollen wir …« Sie unterbrach sich, und ich sah, dass ein Lächeln um ihre Mundwinkel zuckte. »Ah, Meister«, sagte sie, »das Kind lernt allmählich.« Sie entschuldigte sich und ging zum Wagen zurück. Kurz darauf kam sie mit der orangefarbenen Kiste zurück.
    Die Polizisten wirkten beim Anblick der Kettensäge genauso verdutzt wie Miranda zunächst, doch allmählich sah ich in ihren Augen, dass es auch ihnen dämmerte. »Man nennt mich Man of Stihl«, sagte ich und grinste. Ich warf die Kettensäge an – da es so kalt war, musste ich einige Male am Starterseil ziehen – und trat vorsichtig auf das Eis. Ein Blick zurück verriet mir, dass die sechs Polizisten mich, die Kettensäge und das Eis nervös beobachteten. Mirandas Gesicht dagegen drückte reines Amüsement aus.
    Ich drückte den Gashebel ein wenig und senkte die Spitze der Schiene in der Nähe einer festgefrorenen Hand aufs Eis. In Sekundenbruchteilen waren mein Gesicht und meine Brille mit einer Schicht Eisspänen bedeckt. Prustend nahm ich Gas weg, legte die Säge zur Seite und wischte mir Wangen und Brillengläser ab. Beim zweiten Versuch neigte ich den Kopf zur Seite, als ich die knurrenden Sägezähne ins Eis grub. Diesmal spritzte mir der Schauer aus Eiskristallen auf Arm und Schulter, doch mein Gesicht blieb verschont. Die Kette biss sich ins Eis, und es dauerte nicht lange, bis die Schiene durch das Eis brach. Jetzt wurde ich mit Eis und Wasser bespritzt, und mein Mantel wurde richtig nass und kalt. Ich drückte den Gashebel ganz durch, sodass noch mehr Wasser aufspritzte, doch die Säge ging jetzt auch schneller durchs Eis. In weniger als einer Minute hatte ich einen Bogen von einer ausgestreckten Hand über den Kopf und auf der anderen Seite über die zweite ausgestreckte Hand geschnitten. Dann hielt ich inne, kniete mich in Hüfthöhe neben die Leiche und machte mich daran, das Eis seitlich am Körper zu zerteilen. Ich wollte mich nach unten zu den Füßen vorarbeiten, sodass ich wieder auf der sicheren Umrandung des Swimmingpools
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher