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Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre
Autoren: Jefferson Bass
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stand, wenn ich die letzten Schnitte machte, um den Eisblock mit der Leiche ganz vom umgebenden Eis zu trennen.
    Sobald ich das Eis auf der rechten Seite bis zum Knie durchschnitten hatte, wechselte ich die Seite und sägte an der linken Seite durch das Eis, bis ich am linken Fuß angekommen War. Dann ging ich wieder auf die rechte Seite. Das Eisstück mit der Leiche war jetzt kaum noch mit dem restlichen Eis verbunden, nur wenige Zentimeter neben jedem Fuß hielten den Block an Ort und Stelle. Behutsam trat ich auf die Eisplatte. Sie rührte sich nicht. Ich trat fester auf. Nichts. Ich stampfte auf, und plötzlich krachte das Eis mit einem Knallen wie ein Gewehrschuss – nicht nur die kleinen Stellen, die die Platte an Ort und Stelle hielten, sondern auch das große Stück, auf dem ich stand. Das Eis unter mir gab nach, und ich geriet ins Rutschen. Instinktiv warf ich die Arme hoch, um das Gleichgewicht zu halten, und die Kettensäge löste sich aus meinem Griff. Zwei Paar starke Hände packten meine Arme, und zwei uniformierte Beamte hievten mich auf die Umrandung des Swimmingpools. Währenddessen schlug meine erstklassige Kettensäge auf dem Eisstück auf, das sich jetzt gelöst hatte. Als die Platte schwankte, rutschte die Säge ein- oder zweimal hin und her, um dann am Kopf der Leiche vorbeizuschliddern und ins Wasser zu plumpsen. Am tiefen Ende des Pools. Einen Augenblick herrschte kollektives Schweigen, unterbrochen von einem leisen »Ups« von einem der Beamten. Dann hörte ich ein Schnauben – eindeutig von Miranda –, gefolgt von einem Kichern – ebenfalls von Miranda – und ansteigenden Lachsalven, nicht nur von Miranda, sondern auch von den fünf Polizisten.
     
    Eine Stunde später lenkte ich den Wagen in die Parkbucht des regionalen rechtsmedizinischen Instituts unterhalb des Universitätskrankenhauses. Miranda holte eine Fahrtrage, und wir schoben die eingefrorene Leiche mit dem Gesicht nach oben darauf und rollten sie in den Sektionssaal. Detective Emert, der auch als Coroner zugelassen war, hatte den Eismann mit ernster Stimme für tot erklärt, sobald er sich von dem Lachanfall wegen meinem Kettensägenpech erholt hatte.
    Miranda und ich blieben im Flur vor dem Sektionssaal stehen, um die Leiche auf der in den Boden eingelassenen Waage zu wiegen. Die Waage, die das Gewicht der Fahrtrage automatisch abzog, gab das Gewicht mit 74 Kilo an. Doch sieben bis zehn Kilo davon waren Eis, und ich machte mir im Geist eine Notiz, die Leiche noch einmal zu wiegen, sobald das Eis getaut und abgelaufen war.
    Als wir die Fahrtrage in den Saal schoben, schaute der Medical Examiner Dr. Edelberto Garcia – ein smarter Lateinamerikaner Ende dreißig – von der Leiche eines jungen Schwarzen auf, den er gerade obduzierte. Er trug purpurrote Handschuhe und hielt in einer Hand das Schädeldach des Mannes und in der anderen eine Stryker-Autopsiesäge, mit der er soeben den Schädel geöffnet hatte. In sechzig Sekunden würde er das Gehirn herausnehmen und wiegen. Garcia nickte uns zu, warf einen Blick auf die Leiche, die wir da hereinrollten, und sah mich fragend an. Ich erwiderte sein Nicken und sagte: »Ist es in Ordnung, wenn wir den Kerl ein, zwei Tage hier abstellen, Eddie?«
    Garcias Augen hinter der blutverschmierten Schutzbrille wirkten leicht überrascht. »Nicht hier drin«, sagte er. »Er wird stinken wie die Hölle. Stellen Sie ihn in den Kühlraum. Ich versuche, mich morgen um ihn zu kümmern.«
    »Er ist tiefgefroren«, sagte ich. »Wenn ich ihn in den Kühlraum stelle, braucht er eine Woche zum Auftauen. Selbst hier drin, bei Raumtemperatur, wird es ein, zwei Tage dauern.«
    »Ach so«, sagte er. »Klar, da drüben ist okay.« Er betrachtete die Leiche eingehender und bemerkte das Eis, das den Toten umrahmte. »Haben Sie den Kerl aus einem zugefrorenen See gefischt?«
    »Aus einem zugefrorenen Swimmingpool«, sagte Miranda. »Schmutziger als jeder See, den ich je gesehen habe. Fragen Sie Dr. B., wie er den Kerl aus dem Eis geholt hat.« Sie schnaubte, genau wie in der kurzzeitigen Stille, die dem Planschen im Pool gefolgt war. »Fragen Sie ihn, wie es ist, wenn man allzeit bereit ist.«
    »Passen Sie bloß auf, Sie Klugscheißerin«, warnte ich sie. »Sie bewegen sich …« Ich unterbrach mich … ein Wort zu spät.
    »Auf dünnem Eis?«, beendete sie meinen Satz mit einem schadenfrohen Grinsen und erzählte Garcia von meinem Missgeschick mit der Kettensäge. Als sie meine wirbelnden Arme nachmachte,
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