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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf
Autoren: Alison Gaylin
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starrte einen ein trauriger Klavel an. Das Foto, auf dem er in Anzugjacke und Krawatte vor einem schwarzen Hintergrund zu sehen war, schien für den Rotary oder den Lions Club oder sonst einen Verein aufgenommen worden zu sein. Klavels Mundwinkel hingen nach unten, und er hatte sich das Haar mit Gel aus seiner breiten Stirn gekämmt. Morasco dachte an den Leichnam, der grausam verstümmelt worden war, und fragte sich, warum.
    Er las: »Der Mord ist identisch mit den anderen Messermorden«, erklärt Detective Cavanaugh, der aus ermittlungstechnischen Gründen keine Einzelheiten nennt« … grauenhafte Einzelheiten … einen aufgeschlitzten Bauch und einen derart tiefen Schnitt im Hals, dass Klavel fast enthauptet worden war.
    Â»Ist anscheinend stolz auf seine Arbeit, dieses Schwein. Vielleicht hält er sich für einen Künstler«, hatte Cavanaugh am Vorabend gesagt und wie gebannt die Wunden angestarrt. Und während Morasco stumm genickt hatte, hatte sich ihm der Magen umgedreht.
    Morasco las noch bis zum Schluss der Seite, blätterte aber nicht um, da ihm ein überraschender Gedanke kam. Er las Cavanaughs Zitat noch einmal durch, und seine Muskeln zogen sich zusammen. Weil der bisher nur verschwommene Gedanke urplötzlich Gestalt annahm.
    Â»Wie viele derartige Morde hat es schon gegeben?«, hatte er Cavanaugh am Vorabend gefragt.
    Â»Im Laufe der letzten Jahre? Eine ganze Reihe. Allein drei im letzten halben Jahr. Zwei der Opfer haben zusammengelebt. Brüder. Wurden gemeinsam umgebracht, und zwar genau auf diese Art. Dieses Arschloch ist ein echtes Kraftpaket, das heißt, falls es ein Einzeltäter ist.«
    Brüder aus Mount Temple . Hier in Tarry Ridge hatten sie ein paar Jahre zuvor eine Drogenrazzia durchgeführt und zwei Kubaner festgenommen, von denen das Zeug aus einer an der Hauptstraße gelegenen Konditorei heraus verhökert worden war. Die Verhaftung hatte für einiges Aufsehen gesorgt, weil Drogendeals im großen Stil in Tarry Ridge nicht gerade an der Tagesordnung waren. Hutchins hatte sich genüsslich vor der Presse ausgelassen, wobei ihm die schmalzige Prosa wie eine Schar weißer Tauben aus dem Mund geflogen war. Die Kubaner allerdings – ein Brüderpaar, wenn sich Morasco recht entsann – waren bereits wenige Monate später wegen eines Verfahrensfehlers aus der Haft entlassen worden und hatten sich eine Bleibe irgendwo in einem Nachbarort gesucht. Worüber Polizeichef Hutchins alles andere als erfreut gewesen war.
    Morasco ging ins Netz und gab die Begriffe Brüder, Messermorde und Mount Temple ein. Gleich im ersten Artikel, der auf seinem Monitor erschien, tauchten die Namen auf: Luis und Miguel Cabrero. Ja, genau. Sie waren »auf genau dieselbe Art« wie schon ein anderes Messerstecheropfer abgeschlachtet worden, auch wenn wie im Fall von Graeme Klavel nicht beschrieben wurde, wie.
    Â»Es muss derselbe Killer sein«, hatte Cavanaugh gesagt. »Weil der Stil identisch ist.«
    Weil der Stil identisch war.
    Auch das vorherige Opfer hatte er gekannt. Carrie Reynolds, eine völlig durchgeknallte, reiche Erbin, ebenfalls aus Tarry Ridge. Hatte sich geweigert, ihre Medikamente einzunehmen, und als Hutchins noch ein kleiner Streifenpolizist gewesen war, hatte er sie mindestens dreimal wegen Stadtstreicherei und Ruhestörung aufs Revier gebracht. Doch sie hatte jedes Mal eine Kaution gestellt, und ehe es sich der Mann versehen hatte, war sie wieder auf der Hauptstraße herumgelaufen und hatte geschrien, die CIA vergifte ihren Kräutertee.
    Â»Eine Schande für die Stadt «, hatte Hutchins sie genannt .
    Morasco überlegte, ob er noch mal online gehen sollte, um sich alle ungelösten Morde der vergangenen zehn Jahre in der Gegend anzusehen. Um zu gucken, welche Drogendealer, Freaks, Großmäuler und Störenfriede während dieser Zeit von unbekannt getötet und, bereits zu ihren Lebzeiten nicht unbedingt beliebt, irgendwann einfach vergessen worden waren. Doch er brauchte nicht ins Netz zu gehen, denn ihm war bereits klar: Alle diese Menschen hatte ein und derselbe Killer umgebracht. Adam Meade hatte während all dieser Jahre nicht für Wright gearbeitet, sondern für seinen eigenen Chef.
    Morasco schnappte sich sein Handy und marschierte los. Auf dem Weg nach draußen allerdings bemerkte er, dass Hutchins’ Tür geschlossen war, und blieb bei Sally am Empfangstresen
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