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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition)
Autoren: Thilo Corzilius
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hatte sie abgenommen und ich hatte ihn zum Trocknen in die Waschküche bringen lassen. Ihre Kleidung hingegen war immer noch durchtränkt. Ich hoffte, dass das Feuer heiß genug brannte und sie sich nicht verkühlte. Das alkoholische Getränk, das man ihr zur Aufwärmung gereicht hatte, hatte sie kopfschüttelnd abgelehnt. Leider hatte ich nicht besonders viel Ahnung von den Elben. Vielleicht tranken sie ja keinen Alkohol.
    »Lia«, verriet mir die junge Elbin schließlich ihren Namen, mit einer Stimme, die tiefer und erwachsener klang als ich vermutet hätte.
    Dann schwieg sie wieder eine Zeit lang und atmete schwer. Beinahe als hätte sie gerade zum Moment einen anstrengenden Marsch beendet.
    Ich wollte sie nicht weiter bedrängen und wandte mich stattdessen zu meiner Köchin um. Sie sollte veranlassen, dass eines der Gästezimmer hergerichtet würde. Dort würde das Mädchen die Nacht verbringen – sofern sie denn wollte. Weshalb sie nämlich hier war, hatte bisher niemand herausgefunden.
    Und meine Wachen waren zunächst grob geworden. Aus Furcht dem Unbekannten gegenüber. Das ärgerte mich maßlos, aber so war es nun einmal. Die Leute hatten Angst vor den Elben. Genau so, wie die Leute immer Angst vor allem hatten, was anders war als sie selbst.
    Noch bevor ich Äla meine Instruktionen geben konnte, hörte ich Lias Stimme erneut.
    »Bis du ein Freund der Elben?«
    Irritiert glitt mein Blick wieder fort von der Köchin, hin zu Lia.
    »Wie … Wieso fragst du das?«, wunderte ich mich.
    Sie starrte weiterhin ins Kaminfeuer, während sie mir antwortete. Ihre Stimme hatte etwas seltsam Schwebendes, das sich lange im Raum hielt.
    »Ich habe gehört, dass du die Leute meines Volkes nicht abweisen würdest, wenn sie an deine Tür kämen. Und nun frage ich mich, ob du ein Freund der Elben bist.«
    Diese bisweilen philosophische Art und Weise, Gespräche zu führen, war etwas, das die Elben auszeichnete – zumindest erzählte man sich das unter Menschen. Ich stützte gedankenversunken die Ellenbogen auf die Knie und starrte nun meinerseits ins Feuer, um eine Antwort mit Bedacht zu wählen.
    »Ich weiß nicht, ob ich ein Elbenfreund bin«, gab ich schließlich so aufrichtig wie möglich zu. »Es kommen so gut wie niemals Elben hierher. Aber ich habe nichts gegen euch. Niemand aus dem Volk der Elben hat mir je etwas getan.«
    »Aber wieso sagen die Leute dann, dass du ein Elbenfreund wärst?«
    Ich biss mir auf die Unterlippe. Das war eine unangenehme Frage.
    »Ich fürchte«, gestand ich, »das meinen sie wohl eher als Beschimpfung.«
    »Sie schimpfen, dass du ein Freund wärst?«
    Ehrliche Verwunderung schwang in ihrer Stimme mit.
    »Nein«, suchte ich nach einer Erklärung. »Aber wir Menschen sind manchmal sehr kurzsichtig. Viele von uns bekommen euch so gut wie nie zu Gesicht und verstehen euch nicht. Deshalb hat man mitunter Angst vor euch und erzählt sich eine große Zahl unschöner Geschichten.
    Ich seufzte. Die Wahrheit war bisweilen ein furchtbar unangenehmer Begleiter.
    »Aber da offenbar bekannt ist, dass ich den Elben gegenüber keine Abneigung empfinde, bin ich den Leuten wohl ebenfalls unheimlich«, fuhr ich fort. »Verstehst du? In den Augen vieler Menschen ist es kein gutes Merkmal, wenn man sich mit Elben abgibt.«
    Lia wiegte den Kopf. Sie versuchte zu verstehen, was ich gesagt hatte. War es vielleicht wahr, dass Elben manchmal völlig anders dachten, als wir Menschen? Dass eine Bezeichnung wie Elbenfreund eher negativ gemeint war, musste sich wohl erst umständlich einen Weg in ihre Vorstellungskraft bahnen. Doch sie verdaute meine Antwort, ohne weiter nachzufragen. Stattdessen stellte sie eine andere Frage. Wie schicksalsbehaftet diese war, konnte ich allerdings nicht ahnen: »Kannst du mich beschützen?«
    Ich stutzte. Und ich hörte, wie Äla hinter mir scharf die Luft einsog.
    »Wovor?«, fragte ich zögerlich.
    Wieder antwortete Lia nicht gleich. Stattdessen drehte sie langsam den Kopf in meine Richtung und blickte mich an. Ihre meerblauen Pupillen hielten mich gefangen. Ich würde mich an diesen undurchdringlichen und doch so tiefgehenden Blick nie gewöhnen.
    »Schekich«, sagte sie. Nur dieses eine Wort. Dann sah sie wieder in die Flammen.
    »Schekich?«, murmelte ich, ohne mir einen Reim darauf machen zu können. Das Wort kam mir seltsam vor. Nicht wie etwas, dass ich schon mal gehört hatte. »Was ist Schekich?«
    »Der Mann, der mich jagt«, antwortete Lia. Beinahe schien es, als legte
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