Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Donnerstags im Park - Roman

Donnerstags im Park - Roman

Titel: Donnerstags im Park - Roman
Autoren: Hilary Boyd
Vom Netzwerk:
ihm aus, doch er hob abwehrend den Arm, obwohl sie sich nicht von ihrer Seite des Betts wegbewegt hatte. Mit der anderen Hand ergriff er seine marineblaue Pyjamahose und presste sie wie einen Schild gegen seinen Körper.
    »Ich versteh nicht, George. Erklär mir, was los ist.« Jeanie setzte sich auf.
    George stand eine ganze Weile schweigend da. »Ich …« Er hörte sich an wie ein Ertrinkender, der sich gegen alle Rettungsversuche wehrt. »Ich kann das nicht mehr.«
    »Was? George …«
    Er nahm seine Brille vom Nachtkästchen und ging zur Tür.
    Jeanie folgte ihm. »Wo willst du hin? George? Du kannst jetzt nicht einfach verschwinden. Hab ich irgendwas falsch gemacht? Bitte erklär’s mir.«
    George schüttelte sie ab, sah sie kaum an. »Ich schlafe im Gästezimmer.«
    Ich kann das nicht mehr. Seine Worte ließen ihr keine Ruhe, als sie sich schockiert und verwirrt wieder in das zerwühlte Bett legte. Die zweiundzwanzig Jahre ihres gemeinsamen Lebens waren geordnet, man konnte sogar sagen, ein wenig langweilig, verlaufen. Sie stritten sich nie, solange Jeanie Georges augenscheinlich wohlwollendes Kontrollbedürfnis hinnahm. Doch an jenem Abend kam sie sich vor, als wäre sie unversehens auf einem aktiven Vulkan gelandet. Was war nur in ihren Mann gefahren?
    Am folgenden Morgen tat George, als wäre nichts passiert. Als sie im Nachthemd die sonnendurchflutete Küche betrat, war er dabei, das Frühstücksgeschirr, das Marmeladenglas und die Butterdose mit dem Deckel in Kuhform auf den Tisch zu stellen wie immer.
    »Was war denn das heute Nacht?«, fragte sie und setzte sich auf einen Stuhl am Küchentisch.
    Er hob fragend den Blick von dem Edelstahlkessel, den er gerade mit Wasser füllte.
    »Nichts. Ich war müde.«
    »Das ist alles? Mehr hast du mir nicht zu sagen?«
    Er runzelte die Stirn, den Kessel in der Hand. »Mach nicht wieder ein Drama draus, Jeanie. Ich hab im Moment im Büro ziemlich viel um die Ohren. Ich war müde.«
    Er stellte den Kessel auf den Herd, schaltete ihn ein, strich die rote Krawatte über seinem makellos weißen Hemd glatt und schob sie in den Bund seiner grauen Nadelstreifenhose mit den scharlachroten Hosenträgern.
    Jeanie fragte sich, ob sie sich alles nur eingebildet hatte. »George, du bist heute Nacht vor mir geflohen, als wäre ich ein Ungeheuer. Ich muss gar kein Drama aus der Situation machen.«
    Als George hinter ihr um den Tisch herumging, um sie auf den Kopf zu küssen, stieg ihr der Duft des Rasierwassers in die Nase, das sie ihm zu Weihnachten geschenkt hatte. »Ich will nicht drüber reden.« Er öffnete den Kühlschrank. »Saft? Ich koche dir ein Ei.«
    Danach war George nie wieder in ihr gemeinsames Bett zurückgekehrt. Jetzt, fast zehn Jahre später, lauschte Jeanie auf die festen Schritte ihres Mannes auf den Dielen des Zimmers über ihr. Es war halb sechs, spät für George. Sie verfolgte seinen üblichen Weg zur Toilette, hörte das Geräusch der Spülung, dann wieder seine Schritte im Schlafzimmer. Seine Gewohnheiten hatten sich in den zweiunddreißig Jahren ihrer Ehe nicht verändert, aber seit jener merkwürdigen Nacht war es ihr nicht mehr vergönnt gewesen, daran teilzuhaben. Und sie hatte nach wie vor keine Ahnung, warum das damals geschehen war. Anfangs hatte sie ihn fast täglich gedrängt, es ihr zu erklären. Falls er Angst hatte, im Bett zu versagen, ließ sich etwas dagegen tun. Und wenn sie etwas falsch gemacht hatte, brauchte er nur den Mund aufzumachen. Komm zurück in unser Bett, George, bitte . Sie hatte ihn angefleht, ihm gut zugeredet und sich selbst erniedrigt.
    Der Zwischenfall hatte seinerzeit jedes Gespräch zwischen ihnen belastet, und George hatte schlichtweg jegliche Diskussion des Themas verweigert. Es gebe keinen Grund, es sei nicht ihre Schuld, und er würde, könne vielleicht nicht darüber sprechen. Am Ende war Jeanie der ständigen Spannung so müde geworden, dass sie aufgab, niemandem davon erzählte, nicht einmal ihrer besten Freundin Rita, weil sie sich irgendwie schämte. Trotz Georges gegenteiliger Beteuerungen warf sein Verhalten ihrer Ansicht nach ein schlechtes Licht auf ihre eigene sexuelle Attraktivität.
    Da ihr Selbstbewusstsein nach jener Nacht schwer beschädigt war, unternahm Jeanie keinen Versuch mehr, ihn zu verführen. Nur ein einziges Mal, etwa ein Jahr später – beide hatten zu viel getrunken –, war er Jeanie in ihr Schlafzimmer gefolgt, und sie hatten einander voll bekleidet gestreichelt. Trotz des Alkohols
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher