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Donaugrund (German Edition)

Donaugrund (German Edition)

Titel: Donaugrund (German Edition)
Autoren: Sonja Silberhorn
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brauchen Sie auch nicht«, antwortete ich. Denn endlich wusste ich, was ich tun würde. »Ich habe mich bereits entschieden.«
    »Schau mal, da vorn …« Ich drückte Raphaels Hand, die mit meiner zusammen in seiner Jackentasche steckte, und kniff die Augen zusammen, um trotz der grell strahlenden Sonne zu sehen. »Sind das die Kleingrün und der König?«
    Es half nichts, die beiden eng umschlungenen Gestalten blieben bloße Schemen, die in Größe und Statur in etwa mit Celia und André übereinstimmten.
    Raphael war schlau genug gewesen, eine Sonnenbrille aufzusetzen, als wir zu unserem Spaziergang aufgebrochen waren. Freitagnachmittag, Schlendern durch den am Oberen Wöhrd gelegenen Inselpark … Vor ein paar Monaten hätte mir der bloße Gedanke ob seiner außerordentlichen Spießigkeit noch Übelkeit bereitet. Heute aber, nach diesem enervierenden, immer trüben Winter, hatte ich es weder im überheizten Büro noch zu Hause ausgehalten. Und anscheinend ging es nicht nur mir so: Waren die Straßen und Gehwege Regensburgs in den letzten Wochen wie ausgestorben gewesen und hatten diejenigen, die gezwungenermaßen durch die dustere Kälte stapfen mussten, neben Mütze und Schal auch immer ein überaus griesgrämiges Gesicht als Accessoire dabeigehabt, so schienen die zahlreichen Spaziergänger heute wie befreit aufzuatmen. Endlich Sonne.
    »Könnte sein«, antwortete Raphael, bevor die beiden, dem Weg folgend, nach links aus unserem Sichtfeld verschwanden. Vor uns lag das Wasserkraftwerk, die Donau toste die Staustufe hinab. »Dann hat sich seine Beharrlichkeit ja doch noch ausgezahlt.«
    »Vielleicht weiß sie jetzt nach dem ganzen Drama auch einfach, worauf es ihr ankommt«, gab ich zu bedenken.
    »Und du?« Raphael blieb stehen und zog mich in seine Arme. »Weißt du das auch?«
    Mir war selbst nicht ganz klar, inwiefern Simone Geier mit der Antwort auf diese Frage zu tun hatte und ob ich das, was aus ihrem Ehrgeiz entstanden war, so abschreckend fand oder mich nur darüber wunderte, wie man die Karriere so uneingeschränkt über das private Glück stellen konnte.
    Vielleicht wurde der Wille zum bedingungslosen Erfolg nur manchen Leuten in die Wiege gelegt. Oder sorgte die persönliche Umgebung dafür, dass man sich mit voller Kraft auf das konzentrierte, was man vermeintlich als Einziges schaffen konnte? War Simone Geier ihr Mangel an liebreizendem Wesen und hübschem Äußerem so oft vermittelt worden, dass sie glaubte, ausschließlich mit Intellekt, Fleiß und Erfolg punkten zu können oder sogar zu müssen? Oder war es die Gesellschaft, die diktierte, was man zu wollen hatte? Früher hatten Frauen eine Hochzeit oder Kinder zu wollen, heute war es stattdessen die Karriere, wenn man nicht rückständig sein wollte?
    Ich hatte keine Antwort auf diese Fragen. Aber meine ganz persönliche Antwort hatte ich immerhin schon gefunden. Und was in Schnecks Büro noch eine ganz spontane Entscheidung aus dem Bauch heraus gewesen war, hatte in der Zwischenzeit auch allen rationalen Überlegungen standgehalten.
    Lächelnd beobachtete ich das alte Paar, das Hand in Hand an uns vorübertrippelte.
    »Du wirst mit jedem Tag langsamer«, schimpfte sie unter ihrem Trachtenhut hervor, den sie mit Pattex festgeklebt haben musste – anders konnte ich mir nicht erklären, wie er trotz ihrer stark nach vorn gebeugten Haltung nicht vom Kopf fiel.
    »Bloß weil du so rennst«, gab er grinsend zurück, ohne zu beschleunigen. »Aber würd ich auch, wenn ich ständig nur den Boden sehen würd.«
    »Wenigstens besteh ich noch aus Originalteilen«, sagte sie, ließ seine Hand los und klopfte zärtlich gegen seine Hüfte. »Und jetzt schick dich endlich, ich will einen Kaffee.«
    Er brummelte eine Antwort, die ich nicht verstand, und griff sofort wieder nach ihrer Hand.
    Raphael war meinem Blick gefolgt und sah den beiden belustigt nach.
    Und ich war mir sicher: Ich hatte mich richtig entschieden. »Ja«, antwortete ich also und sah Raphael fest in die Augen, »jetzt endlich weiß ich das.«
    Wahrscheinlich hatte Nicole recht gehabt, wahrscheinlich war genau das emanzipiert: nicht zu tun, was erwartet wurde, sondern das, was man selbst wollte. Ich mochte meinen Job, ich liebte meine Heimatstadt, meine Familie, meine Freunde und den Mann in meinem Leben. Ich war rundum glücklich – und ich hatte nicht vor, das zu ändern.
    Wie? Das erstaunt Sie jetzt nicht? Damit hatten Sie gerechnet?
    Manchmal finde ich es wirklich ein bisschen
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