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Dolph Heyliger (German Edition)

Dolph Heyliger (German Edition)

Titel: Dolph Heyliger (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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Jedermann, reich und arm, groß und klein, nach der Ankunft des Schiffs aus. Es war das große jährliche Ereigniß der Stadt Neu-Amsterdam; und von einem Ende des Jahres zum andern war das Schiff – das Schiff – das Schiff – der stehende Gegenstand der Unterhaltung.
    Die Neuigkeiten von der Veste führten daher alles Volk hinab zu der Batterie, um das Ersehnte in Augenschein zu nehmen. Es war nicht gerade die Zeit, wo sie seine Ankunft erwartet hatten, und dieser Umstand erregte einiges Nachdenken. Der Gruppen waren viele, die sich um die Batterie versammelten. Hier und da sah man einen Bürgermeister, in seiner gravitätischen und pomphaften Würde, seine Meinung mit großem Selbstvertrauen einem Haufen alter Weiber und müßiger Buben verkündigen. An einem anderen Platze befand sich eine Gesellschaft alter von Wetter gebräunter Burschen, die zu ihrer Zeit Seeleute und Fischer gewesen waren und bei solchen Gelegenheiten als große Autoritäten galten; sie waren verschiedener Meinung und veranlaßten große Streitigkeiten unter ihren verschiedenen Anhängern; aber der Mann, auf den man am meisten seine Blicke richtete, und dem das Volk folgte und auf ihn aufmerksam war, war Hans van Pelt, ein alter holländischer Seekapitän, der sich vom Dienst zurückgezogen hatte, das nautische Orakel des Ortes. Er beschaute das Schiff durch ein altes Teleskop, mit altem Segeltuch überzogen, brummte ein altes holländisches Lied und sagte nichts. Ein Summen von Hans van Pelt hatte jedoch immer mehr Gewicht bei dem Publikum, als wenn ein anderer Mann etwas sagte.
    In derselben Zeit wurde das Schiff auch dem bloßen Auge deutlicher; es war ein starkes, rundes, nach holländischer Art gebautes Fahrzeug, mit hohem Bug und Hintertheil, und trug die holländischen Farben. Die Abendsonne vergoldete seine schwellenden Segel, wie es so über die langen schwankenden Wogen daherzog. Die Wache, die Notiz von seiner Annäherung gegeben hatte, erklärte, sie habe es zuerst zu Gesicht bekommen, als es in der Mitte der Bucht gewesen sei; es sei so plötzlich vor ihr gestanden, als wenn es aus dem Innern einer schwarzen Gewitterwolke gekommen wäre. Die Umstehenden blickten auf Hans van Pelt, umzusehen, was er zu diesem Bericht sagte. Hans van Pelt aber preßte seinen Mund enger zusammen und sagte nichts; Einige schüttelten ihre Köpfe, Andere zuckten die Achseln.
    Das Schiff wurde jetzt mehre Male begrüßt, gab aber keine Rückantwort; es passirte die Veste und stand still auf dem Hudson. Man brachte eine Kanone herbei, um sie darauf zu richten, was nicht ohne einige Schwierigkeit geschah; Hans van Pelt lud und feuerte, da die Garnison in der Artillerie nicht erfahren war. Der Schuß schien gerade durch das Schiff zu gehen und auf der andern Seite auf dem Wasser hinzugleiten; aber man nahm keine Notiz davon. Sonderbar war es, daß sie alle Segel aufgezogen hatten und gerade gegen Wind und Fluth segelten, welche eben auf dem Fluß herrschten.
    Hierauf ließ Hans van Pelt, der zugleich Hafenmeister war, sein Boot kommen und es aussetzen, um bei dem Schiff an Bord zu kommen; aber nachdem er drei bis vier Stunden gerudert hatte, kam er ohne Erfolg wieder zurück. Bisweilen kam er ihm auf ein– bis zweihundert Ellen nahe, wie ein Blitz aber war es wieder eine halbe Meile entfernt. Einige sagten, es wäre, weil der Steuermann kurzathmig und engbrüstig sei und deßhalb hier und da anhalten müsse, um Athem zu holen und in seine Hand zu spucken; wahrscheinlich aber war dieß eine bloße üble Nachrede. Er kam jedoch nahe genug, um das Schiffsvolk in Augenschein zu nehmen; sie waren Alle in holländischer Tracht, die Offiziere in Jacken und hohen Hüten mit Federn; Niemand von ihnen an Bord sprach ein Wort; sie standen bewegungslos gleich Statuen, und das Schiff schien, als wenn es seiner eigenen Bewegung überlassen wäre. So fuhren sie auf dem Flusse weiter und wurden in der Abendbeleuchtung immer kleiner und kleiner, bis sie dem Auge entschwanden wie eine kleine weiße Wolke, die am Sonnenhimmel verschwindet.
    Die Erscheinung dieses Schiffs versetzte den Gouverneur in einen der stärksten Zweifel, von denen er je im Verlauf seiner ganzen Amtsführung heimgesucht worden war. Man fürchtete für die Sicherheit der jungen Ansiedlung, denn es konnte ein verkapptes feindliches Schiff gewesen sein, ausgesendet um Besitz zu nehmen. Der Gouverneur berief seine Offiziere mehrmals zusammen, um sich durch ihre Muthmaßungen zu unterstützen. Er saß
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