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Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Titel: Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.
Autoren: Erich Kästner
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kann,
    gerade weil alles schlecht ist!
    Einer von ihnen hat mir erklärt, wie das sei und was ihn am meisten freute:
    »Im schlimmsten Moment, der Geburt, sind die Leute (hat er gesagt) schon dabei.
    Doch gerade das schönste Erlebnis
    erleben sie nie: ihr Begräbnis!«

Abschied in der Vorstadt
    Wenn man fröstelnd unter der Laterne steht, wo man tausend Male mit ihr stand …
    Wenn sie ängstlich wie ein Kind ins Dunkel geht, winkt man lautlos mit der Hand.
    Denn man weiß: man winkt das letzte Mal.
    Und an ihrem Gange sieht man, daß sie weint.
    War die Straße stets so grau und stets so kahl?
    Ach, es fehlt bloß, daß der Vollmond scheint.
    Plötzlich denkt man an das Abendbrot
    und empfindet dies als gänzlich deplaciert.
    Ihre Mutter hat zwei Jahre lang gedroht.
    Heute folgt sie nun. Und geht nach Haus. Und friert.
    Lust und Trost und Lächeln trägt sie fort.
    Und man will sie rufen! Und bleibt stumm.
    Und sie geht und wartet auf ein Wort!
    Und sie geht und dreht sich nie mehr um.

Der Kümmerer
    Der Kümmerer ist zwar ein Mann,
    doch seine Männlichkeit hält sich in Grenzen.
    Er nimmt sich zwar der Frauen an,
    doch andre Männer ziehn die Konsequenzen.
    Der Kümmerer ist ein Subjekt,
    das Frauen, wenn es sein muß, zwar bedichtet, hingegen auf den Endeffekt
    von vornherein und überhaupt verzichtet.
    Er dient den Frauen ohne Lohn.
    Er liebt die Frau en gros, er liebt summarisch.
    Er liebt die Liebe mehr als die Person.
    Er liebt, mit einem Worte, vegetarisch!
    Er wiehert nicht. Er wird nicht wild.
    Er hilft beim Einkauf, denn er ist ein Kenner.
    Sein Blick macht aus der Frau ein Bild.
    Die andren Blicke werfen andre Männer.
    Die Kümmerer sind nicht ganz neu.
    Auch von von Goethe wird uns das bekräftigt.
    Sein Clärchen war dem Egmont treu,
    doch der war meist mit Heldentum beschäftigt.
    So kam Herr Brackenburg ins Haus,
    vertrieb die Zeit und half beim Wäschelegen.
    Am Abend warf sie ihn hinaus.
    Wer Goethes Werke kennt, der weiß weswegen.
    Die Kümmerer sind sehr begehrt,
    weil sie bescheiden sind und nichts begehren.
    Sie wollen keinen Gegenwert.
    Sie wollen nichts als da sein und verehren.
    Sie heben euch auf einen Sockel,
    der euch zum Denkmal macht und förmlich weiht.
    Dann blicken sie durch ihr Monokel
    und wundern sich, daß ihr unnahbar seid.

    Dann knien sie hin und beten an.
    Ihr gähnt und haltet euch mit Mühe munter.
    Zum Glück kommt dann und wann ein Mann und holt euch von dem Sockel runter!

Klassenzusammenkunft
    Sie trafen sich, wie ehemals,
    im ersten Stock des Kneiplokals.
    Und waren zehn Jahr älter.
    Sie tranken Bier. (Und machten Hupp!)
    Und wirkten wie ein Kegelklub.
    Und nannten die Gehälter.
    Sie saßen da, die Beine breit,
    und sprachen von der Jugendzeit
    wie Wilde vom Theater.
    Sie hatten, wo man hinsah, Bauch.
    Und Ehefrau’n hatten sie auch.
    Und fünfe waren Vater.
    Sie tranken rüstig Glas auf Glas
    und hatten Köpfe bloß aus Spaß
    und nur zum Hütetragen.
    Sie waren laut und waren wohl
    aus einem Guß, doch innen hohl,
    und hatten nichts zu sagen.
    Sie lobten schließlich haargenau
    die Körperformen ihrer Frau,
    den Busen und dergleichen.
    Erst dreißig Jahr, und schon zu spät!
    Sie saßen breit und aufgebläht
    wie nicht ganz tote Leichen.
    Da, gegen Schluß, erhob sich wer
    und sagte kurzerhand, daß er
    genug von ihnen hätte.
    Er wünsche ihnen sehr viel Bart
    und hundert Kinder ihrer Art
    und gehe jetzt zu Bette. -

    Den andern war es nicht ganz klar,
    warum der Kerl gegangen war.
    Sie strichen seinen Namen.
    Und machten einen Ausflug aus.
    Für Sonntag früh. Ins Jägerhaus.
    Doch dieses Mal mit Damen.

Atmosphärische Konflikte
    Die Bäume schielen nach dem Wetter.
    Sie prüfen es. Dann murmeln sie:
    »Man weiß in diesem Jahre nie,
    ob nun raus mit die Blätter
    oder rin mit die Blätter
    oder wie?«
    Aus Wärme wurde wieder Kühle.
    Die Oberkellner werden blaß
    und fragen ohne Unterlaß:
    »Also, raus mit die Stühle
    oder rin mit die Stühle
    oder was?«
    Die Pärchen meiden nachts das Licht.
    Sie hocken Probe auf den Bänken
    in den Alleen, wobei sie denken:
    »Raus mit die Gefühle
    oder rin mit die Gefühle
    oder nicht?«
    Der Lenz geht diesmal auf die Nerven
    und gar nicht, wie es heißt, ins Blut.
    Wer liefert Sonne in Konserven?
    Na, günstigen Falles
    wird doch noch alles
    gut.
    Es ist schon warm. Wird es so bleiben?
    Die Knospen springen im Galopp.
    Und auch das Herz will Blüten treiben.
    Drum, raus mit die Stühle
    und rin mit die
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