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Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Titel: Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
Autoren: Sascha Kathrin / Lobo Passig
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technikinduzierten Wutanfalls? Für eine ganze Generation, die die anfangs eher unbeholfene Digitalisierung des Alltags mitbekommen hat, ist das Scheitern am Gerät zu einer selbstverständlichen Erfahrung geworden.
    Berufliche Überforderung
    Die technische Überforderung im Alltag überschneidet sich hauptsächlich via Computer mit der beruflichen Überforderung. Seit nicht einmal mehr Brötchen ohne die Hilfe von Informationstechnologie gebacken werden, ist für die meisten Berufe die Beherrschung zumindest der Office-Programme die unabdingbare Basis. Wer je versucht hat, eine Word-Vorlage herzustellen, die das tut, was sie soll, weiß, dass Beherrschung im Feld MS Office eine sehr relative Angelegenheit und ein ebenso steter wie überraschender Quell der Überforderung sein kann. Auch nach über 15   Jahren tagtäglicherRückmeldungen zu den Unzulänglichkeiten der Software ist die Hilfefunktion bei Word eine Bedienungsanleitung, für die man eine Bedienungsanleitung bräuchte. Obwohl man zugeben muss, dass es sogar der komplizierten Berufswelt gegenüber ungerecht ist, ausgerechnet Microsoft Word als Beispiel auszuwählen.
    Dass die Komplexität der Aufgaben und Anforderungen in den meisten Berufen und nicht nur den klassischen Büro- und Akademikerjobs zunimmt, ist auch eine Folge der zunehmenden Technisierung und Spezialisierung von Wirtschaft und Industrie. Stärker aber noch als unvollkommene Technik bewirkt eine allgemein als verbindlich angesehene, gesellschaftliche Arbeitswut, dass sich viele Menschen überfordert fühlen und dem unnatürlichen Druck auf vielerlei verschiedene Arten ausweichen wollen oder müssen. (Siehe Kapitel «Der innere Zwingli».) Die Maxime der andauernden Arbeitsamkeit führt zu einem ungeheuren Anstieg von Scheintätigkeiten, wie man auch ohne wissenschaftliche Studien erfährt, wenn man in einem Großraumbüro das geschäftige, papierbeladene Hin-und-Her-Hasten – nur unterbrochen durch langwierige Meetings zur Meetingvorbereitung – beobachtet. Jedem Büroanfänger wird augenzwinkernd beigebracht, wie man möglichst nie unbeschäftigt aussieht.
    Auch Selbständigen steht ihr Arbeitseifer oft im Wege, weil sie viel zu viel arbeiten. Unkontrolliert wird ein Projekt auf das andere gestapelt, zu schlechter Arbeitseinteilung kommt der finanzielle Druck, viel zu arbeiten, und so haben die klassischen Selbständigen wie Rechtsanwälte oder Architekten mit die längsten Arbeitszeiten überhaupt. 70   Wochenstunden sind nach Auskunft der jeweiligen Berufsverbände keine Seltenheit. Das große Geschenk der freien Zeiteinteilung endet für Selbständige darin, dass man sich den Tag inder Woche aussuchen kann, an dem man ausnahmsweise keine Überstunden macht.
    Als Symptom der verbreiteten beruflichen Überforderung kann man auch den überwältigenden Erfolg der Gegenreaktion werten: das Buch «Bonjour Paresse» der Französin Corinne Maier, die darin beschreibt, wie man sich eine beschauliche, stressarme Nische im Angestelltendasein zimmert, indem man Betriebsamkeit bis zur Überforderungsgrenze vortäuscht. Die heimliche innere Kündigung samt Arbeitsschauspiel mag eine verständliche Reaktion sein – glücklich mit seinem Arbeitsplatz wird man mit diesem Beschäftigungssurrogat im Leerlauf eher nicht, wenn man nicht gerade einen Bestseller darüber schreibt und deshalb nie wieder so arbeiten muss.
    Informationelle Überforderung
    Die informationelle Überforderung des Menschen wird spätestens seit der Erfindung der Massenmedien festgestellt, und mit dem Eingang der elektronischen Medien in die Lebenswelt ist die Zahl der vom Gehirn zu verarbeitenden Daten exponentiell gestiegen. In «Everything Bad is Good For You» legt Autor Steven Johnson dar, dass heute bereits ein durchschnittliches Computerspiel ähnlich komplexe Reaktionsmuster erfordert wie die Steuerung eines Kampfjets unter ungünstigen Bedingungen. Um genau zu sein, ist die Steuerung eines Kampfjets unter ungünstigen Bedingungen eines der beliebtesten Computerspielgenres. In den letzten Jahren sind vernetzte, taktische Gruppen-Kampfspiele hinzugekommen, etwa die sogenannten Massively Multiplayer Online Role-Playing Game/​First-Person Shooter (MMOR-PG/​FPS). So kompliziert wie die Abkürzung ist auch ihre Bedienung. Schon an dem eher simpel aufgebauten, inzwischen klassisch zu nennenden Onlinespiel Quake könnenUngeübte leicht verzweifeln. Der engagierte Amateur spielt Quake mit zwei Bildschirmen, auf denen sich
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