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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes
Autoren: Asta Scheib
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das Kopfschütteln in ihrer Stimme.
    Nach dem Abwasch lockte Anna Krug in die Erdbeerbeete. Komm, gehst mit, hast Bewegung. Krug wusste nicht recht, was er in den Erdbeerbeeten sollte, aber er wusste, wie gern Anna jemanden um sich hatte. Und das musste nicht immer Albert sein. Alssie vorsichtig die Hühnergatter schlossen und sich in die strohbedeckten Rabatten hockten, fielen Krug die Erdbeerbeete seiner Kindheit ein. Die gehörten nicht immer zum elterlichen Garten, und er musste hastig die roten Früchte unter den Blättern wegreißen, denn die Besitzer waren durchaus an ihren Erdbeeren interessiert. Wie Anna, die ihm erklärte, dass sie den ganzen Sommer hindurch Erdbeeren habe, bis in den Herbst.
    Anna fror die Erdbeeren ein und brachte sie den drei Töchtern, die in München leben. »Gott sei Dank haben die ein anderes Leben, als ich es gehabt habe«, sagte Anna. Keines der Mädchen sollte und wollte je den Hof übernehmen. Auch Albert, der ein »ausgesprungener Pfarrer« war, wurde nur gezwungenermaßen Bauer: Ich war der dümmste Bauer weit und breit, sagte Albert. Meine Töchter haben alle Ende Juli Geburtstag. Mitten in der größten Arbeit. Die Schlauen richtens ein wie in der Bibel. Um Mariä Verkündigung machen sie die Kinder, dann kommen sie um Weihnachten auf die Welt, und die Bäuerin kann den ganzen Sommer durcharbeiten. Ich blöder Hammel, sagte Albert, stand mit der ganzen Arbeit da. Und heut mach ich mir Vorwürfe, dass ich die Anna, wenn sie schwanger war, immer so schwer hab arbeiten lassen. Da hab ich mich versündigt, sagte Albert.
    Überm Pflücken und Reden war ein Wind aufgekommen, der die Bäume bog und die Sträucher peitschte. Von den Nachbarhöfen hörte Krug das Quieken der Ferkel, die Kühe muhten und die Bauern beeilten sich, das Heu einzubringen, alle Türen und Tore zu schließen. Hinter dem Haus sammelte Albert schon Krugs Manuskriptseiten ein, denn mit demWind war nun nicht mehr zu spaßen. Und es blitzte und donnerte. Anna und Albert fürchteten Gewitter. Als Bauern wussten sie, dass es häufig in die Gehöfte einschlug und alles niederbrannte. Die ersten dicken Tropfen waren dann schließlich der Auftakt zu einem Unwetter, das in ganz Bayern und Baden-Württemberg Überflutungen und großen Schaden anrichtete. Albert schaltete alle Elektrogeräte aus. Mei, sagte Anna, wie werd die Fotografin herkemma?
    Sie kam gerade zum Abendessen. Die Straße zwischen Eggenfelden und Dietersburg, so berichtete sie, war derart überflutet, dass sie in einem Gasthaus vier Stunden auf die Weiterfahrt warten musste. Sie hatte von dort auch angerufen, aber Albert und Anna hatten mit Krug in der Gästewohnung im ersten Stock gesessen. Dort hörte man das Telefon nicht, das in der Küche auf dem Fernseher stand.
    Als die Fotografin sich ungezwungen mit an den Tisch setzte, wurde Krug klar, dass er versucht hatte, sich von ihr eine Vorstellung zu machen. Er kannte zwar eine Reihe Fotografen in München, hatte mit einigen zusammengearbeitet, aber Alissa Hansen kannte er nicht. Krug schätzte sie auf Mitte zwanzig. Sie war schmal und flach wie ein Junge, wirkte trainiert. Wie hätte sie auch sonst die Stative, die Lampen und die verschiedenen Kameras schleppen können, die für eine Fotoreportage gebraucht wurden. Braun gebrannt war die Haut dieser Alissa, und sie hatte einen Lockenkopf, auf dem sie einen Teil ihres Haares wie einen Pinsel in die Höhe gebunden hatte. In ihrer Spitzenbluse, den speckigen Bundhosen und den Westernstiefeln an den staksigen Beinen sah sie wie eine bildschöne Vogelscheuche aus.
    Anna und Albert schienen sich für das Äußere ihres neuen Gastes nicht zu interessieren, und Krug genierte sich, dass er Alissa so angestarrt hatte. Alissa, sagte Albert, Alissa, ein schöner Name. Krug meinte, dass seine Generation eben ihren Kindern hübschere Namen ausgewählt habe als die ältere Generation. Ich würde genauso gerne Anna heißen, sagte Alissa kauend. Wenn man bedachte, dass sie direkt aus einem Wirtshaus kam, bewies sie einen erstaunlichen Appetit. Diese junge Frau, fand Krug, war nicht von der gnadenlosen Ignoranz, die Zwanzigjährige oft gegenüber Älteren an den Tag legen. Mit Anna und Albert jedenfalls sprach Alissa neugierig und liebevoll. Sie drang rasch und herzlich in deren Leben ein und war den beiden willkommen. Die üppigen Locken des Mädchens erinnerten Krug an die Tänzerin Sharon. Das Gesicht Alissas dagegen, die Augen, deren Blick sich nicht einfangen
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