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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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Geschenke, und ich sagte: »Danke.«
    Martin hatte eine Mädchenfrisur – lange braune Locken, was mir gut gefiel. Ihn mochte ich sofort, obwohl er ein Junge war. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich alle vierzig Hände geschüttelt hatte, denn so viele Leute waren extra wegen mir gekommen. Als ich mit dem Händeschütteln fertig war, fühlte es sich gut an, weil ich diesen Punkt in meinem Kopf nun abhaken konnte. Ich lief nach oben in die Küche, öffnete den riesigen Glaskühlschrank, der bis zum Rand mit allen möglichen Getränken gefüllt war und schenkte mir neuen Sekt ein. Es gab sogar einen Kübel mit Eiswürfeln. Dort stand mein Name drauf, also waren sie nur für mich. Ich kniff meine Augen ganz fest zu und wieder auf, wie bei einem Computer, wenn man auf Neustart drückt. Die Party konnte beginnen.
    Ich flirtete mit den Mädchen aus der Berlin-Limousine, und sie flirteten zurück. Das gefiel mir, und ich dachte an das Kondom in meiner Schublade. Wäre ich zu Hause gewesen, hätte ich nachgesehen, ob es noch an Ort und Stelle lag, aber das ging ja nicht. Ich schnappte mir Sophia und drehte mit ihr eine Runde durch die Bar. Im Keller fanden wir einen Kicker. Wir stellten unsere Gläser ab und spielten eine Runde. Ich überlegte für einen Moment, sie gewinnen zu lassen, weil sie ein Mädchen ist, aber ich vergaß es schnell wieder und zockte sie 10:0 ab.
    Dann setzte ich mich zu Tamtam, Melli, Sina und ihrem Freund, um etwas durchzuatmen, als Lars auch schon eine Breakdance-Gruppe aus Berlin ankündigte. Die Gäste, die sich in der oberen Etage befanden, kamen zu uns runter oder blieben auf der Treppe stehen. Wie aus dem Nichts sprangen plötzlich drei Jungs auf die kleine Tanzfläche. Lars drehte die Musik wieder auf, und wir bekamen eine Show geboten, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Nach zehn oder zwanzig Minuten war alles vorbei. Der absolute Wahnsinn! Die Kellner aus der Bar bauten die Tische wieder auf, die auf der Tanzfläche standen und der lustige Koch, bei dem ich schon in der Küche spionieren war, stellte große Pizzableche auf ihnen ab.
    »PIZZA IST DA«, rief ich ganz laut, und aus allen Ecken strömten jubelnde Menschen auf mich zu. Das freute mich. Es dauerte nicht lange, und das erste Blech war leergefuttert, aber der Koch kam sofort angerannt und sorgte für Nachschub. Die Pizza war wirklich lecker. Vielleicht war es sogar die leckerste Pizza der Welt. Dann sah ich Anna und ihre Mama durch den Eingang kommen. Anna ist ein Jahr jünger als ich und wohnt drei Straßen von uns entfernt. Ich kenne sie schon lange, aber sie ist »nur eine gute Freundin«, wie Lars sagen würde, obwohl ich sie schon immer sehr nett und hübsch fand. Wie es sich für einen Gentleman gehört, stand ich auf und bot ihnen ein Stück Pizza an. Weil ich aber nicht wollte, dass meine eigene Pizza kalt wurde oder noch schlimmer, von irgendwem stibitzt wurde, drehte ich mich gleich wieder um und sprang auf meinen Platz zurück. Mein Kopf füllte sich wieder mit Bildern und Gesichtern und Geschichten, und ich schaffte es kaum noch, mich auf das zu konzentrieren, was wirklich geschah. Die Musik, die Geräusche, die Stimmen, auf einen Schlag hörte sich alles so laut an. Ich biss auf die Zähne. Ich weiß nicht, wie lange die Party schon lief, aber Mama kam auf einmal auf die Idee, mir noch mehr Geschenke zu überreichen, und die anderen Gäste kramten in ihren Taschen oder liefen nach oben in den großen Raum und stellten sich hinter Mama an. Ich bekam die neuesten DVD-Staffeln von Berlin – Tag & Nacht , Spielzeugautos, Gutscheine, Umschläge mit Geld, eine neue Umhängetasche mit der Aufschrift I Love Berlin , Parfüm, Süßigkeiten, und noch viel, viel mehr. Mama wollte mir einen Kuss geben, aber ich drehte mich weg und sagte: »Nein, nicht vor den Leuten. Wie peinlich! Aber ich brauche ein neues Regal für den ganzen Kram hier.«
    Alle lachten und mir wurde schwindelig. Der Geschenkberg wurde immer größer, und ich kam mit dem Auspacken nicht mehr hinterher. Es wurde so viel, dass ich mich nicht mehr herzlich freuen konnte. Und ich bekam wieder Angst. Zum Glück saß Tamtam neben mir, und ich konnte mich an sie drücken. Nach einem Moment der Ruhe ging es wieder. Mama beugte sich zu mir und nahm mich an die Hand. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Die Musik ging aus, und Mama fing an, eine Rede zu halten. Ich wollte das nicht hören, und ich wollte hier auch nicht stehen. Am liebsten wäre ich im Erdboden
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