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Diesen Partner in den Warenkorb legen

Diesen Partner in den Warenkorb legen

Titel: Diesen Partner in den Warenkorb legen
Autoren: Annabel Dilling
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anderen ändern zu wollen, ist auch eines der Hauptanliegen von Arnold Retzer. »Man muss sich überlegen, wie unglaublich viel Energie es im Lauf der Jahre gekostet hat, gegen vermeintlich schlechte Eigenschaften des anderen anzukämpfen.« In seinem Buch schreibt er: »Erst durch die Bewertung werden Verhaltensweisen zum Problem.« Er erklärt das so: »Wenn einer findet, der Soll-Wert von Sex pro Monat solle bei 10-mal liegen, der Ist-Wert liegt aber nur bei 3, dann hat man in dem Moment ein Problem, wo man die Differenz negativ bewertet. Man kann sich nun anstrengen und versuchen, die Beischlaffrequenz auf 10 anzuheben – wie das Thermostat einer Zentralheizung, die versucht, die aktuelle Raumtemperatur zu erhöhen. Ich bestreite nicht, dass das klappen kann. Es könnte aber auch sein, dass die Heizung bollert und bollert und die Temperatur trotzdem nicht steigt, weil das Haus schlecht isoliert ist oder der Brenner überfordert. Dann geht die Heizung womöglich kaputt, und es wird noch kälter im Raum. Ich glaube, dass viele Ehen ihre Existenz aufs Spiel setzen bei den Versuchen, ihre Probleme zu lösen.« Eine bemerkenswerte Aussage für einen Paartherapeuten!
    Man könne es ja auch mal mit der anderen Möglichkeit versuchen, schlägt er seinen Klienten vor: dass man den Soll-Wert an den Ist-Wert angleicht, die zu hohen Erwartungen herunterschraubt. »Resignative Reife« nennt Retzer das in seinem Buch. »Wie unglaublich deprimierend das klingt!«, bricht es aus mir im Interview heraus. »Ich habe das Wort bewusst gewählt, um diese Reaktion hervorzurufen«, entgegnet Retzer. »Wussten Sie, dass das Wort erst seit der Französischen Revolution so negativ behaftet ist? Davor war die Bedeutung von ›resignieren‹ eine andere. Es hieß, etwas zurückzugeben, ein Amt, zum Beispiel. Man dankte ab, wenn man merkte, dass etwas keinen Sinn mehr machte. Die Hoffnung, etwas doch noch schaffen zu können, führt dazu, dass man die ganze Zeit weiterackert.«
    Ackern, das war exakt das, was Silke in ihrer Beziehung tat: Wenn Tobias mal wieder schlecht gelaunt war, begegnete sie ihm mit einer Extraportion guter Laune, umgarnte ihn, lobte ihn für Bilder, die er gemacht hatte, in der Hoffnung, dass seine Stimmung stieg. Als sie in der zweiten Sitzung der Therapeutin erzählte, wie anstrengend das sei, sagte die nur: »Lassen Sie es doch: Der ist halt so.« Eine Antwort, die Silke zunächst fassungslos machte. »Tolle Erkenntnis: ›Der ist halt so‹! Und dafür haben wir jetzt 115 Euro bezahlt«, schimpfte sie auf dem Heimweg. Aber schnell merkte sie, wie befreiend es ist, nicht mehr versuchen zu müssen, Tobias’ Laune zu verbessern. Eine neue Gelassenheit erfasste Silke, sie wusste nun: »Der Stinkstiefelalarm geht vorbei, egal ob ich dagegen ankämpfe. Weil: Der ist halt manchmal so!«
    Lebenslange Lover oder beste Kumpel – Gibt es ein Geheimnis glücklicher Ehen?
    Die Sehnsucht nach anwendbaren Regeln ist mir wahrscheinlich in die DNA geschrieben, aber ich will mich nicht aus Heidelberg verabschieden, ohne dem Mann mit dem weißen Bart und dem weisen Buch noch so etwas wie ein Rezept zu entlocken. Und so frage ich Arnold Retzer, den Glücksversprechen-Skeptiker und Formel-Hasser, der mit der Matching-Mathematik der Partnerbörsen so gar nichts anfangen kann, am Ende ironischerweise doch noch nach dem Geheimnis einer glücklichen Ehe: »Wie schafft man es, sich über Jahre zu lieben?«
    Er lächelt kurz und verfällt dann in jenen feierlichen Ernst, mit dem er mir nun schon seit mehr als einer Stunde die Liebe erklärt hat. »Wenn es so etwas wie ein Geheimnis gibt, dann liegt es in der kunstvollen Balance aus Liebesbeziehung und Partnerschaft. Beides sind Konzepte, um Intimität zu organisieren. Keines ist besser als das andere. Und eigentlich sind beide nicht mit dem Leben vereinbar.«
    Ich schaue ihn irritiert an. Warum nicht? »Die Liebesbeziehung ist als emotionaler und sexueller Ausnahmezustand auf Dauer nicht lebbar, das stellen Paare spätestens mit dem ersten Kind fest, ebenso wenig ist es die Partnerschaft, denn die ist ein nüchternes, auf Gleichheit beruhendes Vertragsverhältnis. Gleichheit gibt es aber nur in der Mathematik.« (Wie viel ist Hausarbeit wert? Wie viel kostet eine Affäre? Es sei utopisch, Gleichheit in Beziehungen herstellen zu wollen, sagt Retzer.)
    Das Geheimnis liege darin, zwischen diesen Beziehungsformen hin- und herschalten zu können – je nach Entwicklungsphase und
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