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Dienstanweisungen für einen Unterteufel

Dienstanweisungen für einen Unterteufel

Titel: Dienstanweisungen für einen Unterteufel
Autoren: C.S. Lewis
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langweilig-eintönige Periode des Wohlstandes oder der Widerwärtigkeiten des gesetzteren Alters sind ausgezeichnetes Wetter für einen Feldzug. Du mußt begreifen, es fällt diesen Geschöpfen überaus schwer, auszuharren! Die Gewöhnung an Widerwärtigkeiten, der langsame Zerfall jugendlicher Liebe und jugendlicher Hoffnungen, die stille (kaum je als Schmerz empfundene) Verzweiflung daran, die chronischen Versuchungen, mit denen wir sie immer und immer wieder besiegten, je überwinden zu können, die Eintönigkeit, mit der wir ihr Leben erfüllen, und die unbestimmte Gereiztheit, mit der wir sie lehren, darauf zu reagieren – all dies schafft vortreffliche Gelegenheiten, eine Seele durch Zermürbung zu erschöpfen. Erweisen sich jedoch diese mittleren Lebensjahre als glücklich, so ist unsere Lage sogar besser denn je. Wohlergehen verstrickt einen Menschen in die Welt. Er glaubt „seinen Platz in ihr zu finden“, während in Wirklichkeit sie ihren Platz in ihm gefunden hat. Sein wachsendes Ansehen, der sich erweiternde Bekanntenkreis, das Gefühl seiner Wichtigkeit, der Andrang voll beanspruchender und angenehmer Beschäftigungen bilden in ihm das Empfinden, in der Welt wirklich „daheim“ zu sein. Und das ist es gerade, was wir brauchen. Du wirst beobachten, daß die Jungen sich im allgemeinen viel weniger dagegen wehren, zu sterben, als die Leute in den mittleren Jahren oder gar die Alten.
    Die Wahrheit ist, daß der Feind, da er seltsamerweise diese bloß animalischen Wesen dazu bestimmt hat, in Seiner eigenen ewigen Welt zu leben, sie auch ziemlich wirksam davor behütet, sich irgendwo sonst zu Hause zu fühlen. Daher müssen wir unsern Patienten oft ein langes Leben wünschen. Siebzig Jahre sind kein Tag zuviel für die schwierige Aufgabe, ihre Seele vom Himmel zu lösen und eine feste Bindung an die Erde zu schaffen. Solange sie jung sind, sehen wir sie immer wieder vom Gegenstand abspringen. Sogar wenn es uns gelingt, sie in bezug auf das Wesentliche einer bestimmten Religion unwissend zu halten, so bläst das unberechenbare Wehen der Phantasie, der Musik, der Dichtung, der bloße Anblick eines Mädchengesichtes, der Gesang eines Vogels oder der Blick nach einem Horizont unsere schönsten Konstruktionen in alle Winde. Sie wollen sich einfach nicht stetig um ihr Vorwärtskommen in der Welt, um Beziehungen und um eine umsichtige „Sicher ist sicher“-Politik bemühen. Ihr Verlangen nach dem Himmel ist so hartnäckig, daß unsere beste Methode, sie in diesem Alter an die Erde zu fesseln, ist, sie glauben zu machen, die Erde könne in einer gewissen Zukunft durch Politik oder Rasseneugenik oder Wissenschaft oder Psychologie oder sonst etwas in den Himmel verwandelt werden. Wirkliche Weltlichkeit ist ein Ergebnis der Zeit, natürlich mit Unterstützung des Stolzes, denn wir lehren die Menschen den schleichenden Tod mit „gesundem Menschenverstand“, Lebensreife oder Lebenserfahrung zu umschreiben. Erfahrung ist in dem besonderen Sinne, den wir diesem Ausdruck zu geben lehren, beiläufig gesagt, ein ganz nützliches Wort. Ein berühmter menschlicher Philosoph hat unser Geheimnis beinahe verraten, als er sagte: Wo immer die Tugend in Frage steht, da „ist die Erfahrung die Mutter der Illusion“. Aber dank einem Wechsel in der Mode und natürlich auch dank dem „historischen Standpunkt“ haben wir sein Buch großenteils unschädlich gemacht.
    Wie wertvoll der Faktor Zeit für uns ist, geht aus der Tatsache hervor, daß uns der Feind so wenig davon übrigläßt. Die Mehrzahl der Menschen stirbt in der Kindheit; viele der Überlebenden sterben in der Jugend. Es ist ganz unverkennbar, daß die menschliche Geburt Ihm nur wichtig ist als Voraussetzung des Sterbens; der Tod aber dient als Pforte zu jener anderen Lebensform. Uns ist nur erlaubt, an einer ausgewählten Minderheit des menschlichen Geschlechtes zu arbeiten, denn was die Menschen ein „normales Leben“ nennen, ist die Ausnahme. Scheinbar wünscht Er nur von einigen – und nur wenigen – dieser menschlichen Tiere, mit denen Er den Himmel bevölkert, daß sie diese Erfahrung gehabt haben, uns während eines irdischen Lebens von sechzig bis siebzig Jahren widerstehen zu können. Nun gut, da liegt unsere Gelegenheit. Je kleiner sie ist, um so besser müssen wir sie nützen! Was Du immer unternimmst, schütze Deinen Patienten, so gut es eben möglich ist, vor dem Tode.
    Dein Dich liebender Oheim
    Screwtape

XXIX
    Mein lieber Wormwood,

    Jetzt, da
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