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Dienstanweisungen für einen Unterteufel

Dienstanweisungen für einen Unterteufel

Titel: Dienstanweisungen für einen Unterteufel
Autoren: C.S. Lewis
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um die Genesung ihrer Kranken zu bitten. Natürlich wirst Du die Tatsache vor ihm verbergen, daß das Gebet um das tägliche Brot, „geistlich“ aufgefaßt, ebenso primitiv bittmäßig ist wie in jedem anderen Sinn.
    Da sich Dein Patient aber zu der üblen Gewohnheit des Gehorsams verpflichtet hat, wird er sehr wahrscheinlich mit diesen „primitiven“ Gebeten weiterfahren, allem, was Du unternehmen magst, zum Trotz. Du kannst ihn aber dadurch quälen, daß er den nagenden Verdacht nie ganz loswird, di e se Gebetsübung sei sinnwidrig und führe zu keinem objektiven Ergebnis. Vergiß nicht, den Spruch zu gebrauchen: „Bin ich zuerst da, habe ich gewonnen; bist Du zuerst da, hast Du verloren!“ Wenn die Dinge, um die er bittet, nicht geschehen, dann ist das ein Beweis dafür, daß Bittgebete wirkungslos sind. Wenn aber geschieht, was er erbeten hat, dann wird er natürlich einige der physikalischen Ursachen angeben können, die dazu geführt haben, und „darum wäre es ohnehin geschehen“. Damit wird ein erhörtes geradesogut wie ein unerhörtes Gebet zum Beweis dafür, daß das Beten fruchtlos ist.
    Dir als Geist mag es unbegreiflich erscheinen, daß er solch einer Verirrung verfallen könnte. Du darfst aber nicht vergessen, daß er die Zeit als die letzte Wirklichkeit betrachtet. Er meint, der Feind sehe, wie er selbst, gewisse Dinge als gegenwärtig, erinnere sich an andere als vergangen und sehe andere als zukünftig voraus. Aber selbst wenn er glaubt, daß der Feind die Dinge nicht auf diese Weise sieht, so betrachtet er das im Grunde seines Herzens noch als Eigentümlichkeit des Wahrnehmungsvermögens des Feindes. Er glaubt nicht wirklich (obwohl er das natürlich behauptet), daß der Feind die Dinge sieht, wie sie in Wirklichkeit sind! Versuchst Du es ihm zu erklären, daß die Gebete der Menschen heute eine der zahllosen Koordinaten sind, mit denen der Feind das Wetter von morgen in Einklang bringt, so würde er erwidern, der Feind habe in diesem Falle ja immer gewußt, um was die Menschen beten würden, und sei dem so, dann beteten sie eben nicht aus freiem Willen, sondern seien zu solchem Beten vorausbestimmt. Auch würde er hinzufügen, das Wetter eines bestimmten Tages lasse sich auf seine Ursachen zurückführen bis zu der ursprünglichen Schöpfung des Stoffes selbst – so daß das ganze Geschehen auf der menschlichen wie auf der stofflichen Seite zum voraus gegeben sei durch das Wort „es werde“. Was er hätte sagen sollen, ist uns natürlich klar: Das Problem der Anpassung des besonderen Wetters an die besonderen Gebete sei nur die Erscheinung des Gesamtproblems der Anpassung der ganzen geistigen an die ganze stoffliche Welt an zwei verschiedenen Punkten seines zeitlichen Wahrnehmungsvermögens, und die Schöpfung in ihrer Gesamtheit sei an jedem Punkte des Raumes und der Zeit tätig, oder besser, die menschliche Art des Bewußtseins zwinge den Menschen, dem gesamten, gleichzeitigen schöpferischen Akt als einer Reihe aufeinanderfolgender Ereignisse zu begegnen. Warum dieser schöpferische Akt Raum läßt für den freien Willen, ist die Frage der Fragen, das Geheimnis hinter jenem Unsinn von der „Liebe“ des Feindes. Die Weise seines Vorgehens ist nicht im geringsten problematisch, denn der Feind sieht den freiwilligen Beitrag des Menschen nicht in einer Zukunft voraus, sondern sieht ihn in seinem unbegrenzten jetzt. Und einen Menschen in seinem Tun beobachten heißt selbstverständlich nicht, ihn zu diesem Tun zu veranlassen.
    Es mag nun erwidert werden, daß einige dieser zudringlichen menschlichen Schriftsteller, vorab Boethius, dieses Geheimnis preisgegeben haben. Aber dank dem intellektuellen Klima, das uns in ganz Westeuropa endlich zu schaffen gelungen ist, brauchst Du Dich um diese Gefahr nicht groß zu sorgen. Nur die Gelehrten lesen alte Bücher. Wir aber haben diese Gelehrten so geschult, daß sie unter allen Menschen am wenigsten geeignet sind, sich die Weisheit aus den Büchern der Alten anzueignen. Wir haben das erreicht, indem wir ihnen „den geschichtswissenschaftlichen Standpunkt“ unauslöschlich eingeprägt haben. Der „geschichtswissenschaftliche Standpunkt“ bedeutet kurz gefaßt dies: Wenn ein Gelehrter irgendeiner Aussage eines früheren Autors begegnet, dann ist die eine Frage, die er nie stellen wird, die, ob sie wahr ist. Er fragt, wer den antiken Verfasser beeinflußt hat, wie diese Aussage mit dem übereinstimmt, was er in andern Büchern sagt, und welche
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