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Dieb meines Herzens

Dieb meines Herzens

Titel: Dieb meines Herzens
Autoren: Amanda Quick
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er.
    In Leonas Ohren klang das Ächzen der Scharniere laut wie ein ganzer Eisenbahnzug. Ängstlich blickte sie zur großen Treppe, doch die Schatten am Ende des Raumes rührten sich nicht; auf der Galerie blieb es still.
    Der Hypnotiseur warf einen Blick in die Tiefen des Schrankes. »Mir scheint, wir beide kamen heute mit derselben Absicht.«
    Ein neues, andersartiges Frösteln überlief sie. »Sie sind gekommen, um meinen Kristall zu stehlen?«
    »Ich schlage vor, das Thema des legalen Besitzstandes bei anderer Gelegenheit zu erörtern.«
    Wut flammte in ihr auf und siegte über ihre Angst. »Dieser Kristall gehört mir.«
    Sie stürzte vor, um den Kristall an sich zu nehmen, als ihr der Hypnotiseur den Weg vertrat und in den Schrank griff.
    Sie konnte seine Bewegungen in der Dunkelheit nicht genau verfolgen, doch sie wusste sofort, dass die Katastrophe eingetreten war. Sie hörte sein plötzliches, scharfes Ausatmen, dem ein leises, gedämpftes Husten folgte. Zugleich erhaschte sie den schwachen Geruch einer unbekannten Chemikalie.
    »Zurück!«, befahl er.
    Der Befehl war so eindringlich, dass sie ohne Überlegung gehorchte.
    »Was ist?«, fragte sie, ein paar Schritte zurückweichend. »Was ist passiert?«
    Er wandte dem Schrank den Rücken zu. Erstaunt sah sie, dass er ein wenig schwankte, als fiele es ihm schwer, sein Gleichgewicht zu halten. In einer Hand hielt er einen schwarzen Samtbeutel.

    »Wenn man den Leichnam der Frau findet, wird Delbridge mit der Polizei beschäftigt sein«, sagte er leise. »Mit etwas Glück wird es eine Weile dauern, bis er die Suche nach dem Stein aufnehmen kann. Ihnen bleibt also Zeit zur Flucht.«
    Die Worte waren von tonloser Grimmigkeit gefärbt.
    »Ihnen aber auch«, sagte sie rasch.
    »Nein.«
    Eine schreckliche Befürchtung kroch in ihr hoch. »Was reden Sie da? Was ist los?«
    »Die Zeit ist um.« Er packte ihr Handgelenk und zog sie zur Dienstbotentreppe. »Wir dürfen keine Sekunde zögern.«
    Eben war sie noch wütend auf ihn gewesen, nun aber jagte Panik durch ihre Adern und hatte heftiges Herzklopfen zur Folge.
    »Was ist passiert?«, wollte sie wissen. »Sind Sie in Ordnung?«
    »Ja, aber nicht mehr lange.«
    »Um Himmels willen, sagen Sie mir, was passierte, als Sie den Kristall aus dem Schrank nahmen.«
    Er öffnete die zur Wendeltreppe führende Tür. »Ich löste eine Falle aus.«
    »Was für eine Falle?« Sie sah sich seine Hände genauer an. »Haben Sie sich geschnitten? Bluten Sie?«
    »Der Kristall befand sich in einem Glasbehälter. Als ich diesen öffnete, schlug mir Dampf ins Gesicht. Ich atmete eine ganze Ladung davon ein. Vermutlich war er giftig.«
    »O Gott … sind Sie sicher?«
    »Es gibt keinen Zweifel.« Er zündete eine Leuchte an und versetzte ihr einen Schubs, der sie über die alten Steinstufen beförderte. »Ich spüre bereits die Wirkung.«

    Sie warf einen Blick über die Schulter. Im flammenden Licht sah sie ihn zum ersten Mal ganz deutlich. Jettschwarzes, unmodern langes und glatt aus der hohen Stirn gekämmtes Haar fiel ihm hinter den Ohren bis auf den Hemdkragen. Seine Züge schienen von einem kompromisslosen Bildhauer gemeißelt, dem mehr daran lag, Kraft darzustellen als gutes Aussehen. Das Gesicht des Hypnotiseurs passte zu seiner elektrisierenden Stimme: eindringlich, geheimnisvoll und gefährlich faszinierend. Schaute eine Frau zu lange in seine unauslotbaren grünen Augen, lief sie Gefahr, einem Zauber zu verfallen, dem sie nie wieder zu entkommen vermochte.
    »Sie brauchen einen Arzt«, drängte sie.
    »Wenn der Dampf das ist, was ich glaube, hat kein Arzt ein Gegenmittel zur Hand. Es gibt kein Heilmittel.«
    »Man muss es versuchen.«
    »Hören Sie gut zu«, sagte er. »Ihr Leben hängt davon ab, dass Sie meine Anordnungen befolgen. In ganz kurzer Zeit, in fünfzehn Minuten etwa, werde ich ein Irrer sein.«
    Sie kämpfte darum, die schreckliche Bedeutung seiner Worte zu erfassen. »Durch das Gift?«
    »Ja. Die Droge erzeugt teuflische Halluzinationen, die vom Bewusstsein des Opfers Besitz ergreifen und es glauben machen, dass es von Dämonen und Ungeheuern umgeben ist. Sie dürfen nicht in meiner Nähe sein, wenn das Zeug die Kontrolle über meine Sinne übernimmt.«
    »Aber …«
    »Ich werde zu einer ernsten Bedrohung für Sie und jeden, der zufällig in der Nähe ist. Verstehen Sie?«
    Sie schluckte hart und lief ein paar Stufen hinunter. »Ja.«
    Sie waren fast am Fuß der Treppe angelangt. Schon konnte sie den Streifen
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