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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
Autoren: Justin Cronin
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einem dieser Hightech-Börsengänge. An jenem Tag hatte die Welt noch munter vor sich hin gebrummt wie immer, und Kittridge hatte Warren geholfen, seine Einkäufe zum Wagen zu bringen. War natürlich ein Ferrari. Als Kittridge danebenstand, dachte er: Wieso besorgst du dir nicht gleich auch ein persönliches Nummernschild: » WICHSER 1«? Die Frage stand ihm offenbar ins Gesicht geschrieben, denn kaum war sie ihm durch den Kopf gegangen, wurde Warren rot vor Verlegenheit. Er trug nicht seinen gewohnten Anzug, sondern Jeans und ein T-Shirt mit der Aufschrift SLOAN SCHOOL OF MANAGEMENT . Er hatte gewollt, dass Kittridge den Wagen sah, das war klar, aber jetzt sah er, wie blöd es war, mit einem solchen Auto vor einem Abteilungsleiter von Outdoor World anzugeben, der wahrscheinlich weniger als fünfzigtausend im Jahr verdiente. (Tatsächlich waren es sechsundvierzig.) Kittridge gestattete sich ein lautloses Lachen– mit dem, was dieser Bengel nicht wusste, konnte man ein Buch vollschreiben– und ließ den Augenblick in der Schwebe, damit kein Missverständnis aufkam. Ich weiß, ich weiß, bekannte Warren. Es ist ein bisschen übertrieben. Ich hab mir selbst gesagt, ich werde nie eins von diesen Arschlöchern sein, die mit einem Ferrari herumfahren. Aber ich schwöre bei Gott – Sie sollten mal erleben, wie wunderbar der sich fährt.
    Kittridge hatte Warrens Adresse von der Rechnung abgeschrieben. Um in die Wohnung reinzukommen– Warren war inzwischen wahrscheinlich wohlbehalten in Alaska–, brauchte er im Büro der Hausverwaltung nur den richtigen Schlüssel zu finden, in das entsprechende Loch der Bedienungstafel im Aufzug zu schieben und die neunzehn Stockwerke hinauf ins Penthouse zu fahren. Dort packte er seine Sachen aus. Einen Rollkoffer mit Kleidern, drei Kisten mit Waffen, ein Kurbelradio, ein Nachtsichtfernglas, Signalraketen, einen Verbandskasten, ein Schweißgerät, um die Aufzugtür zu verschließen, seinen Laptop mit der transportablen Satellitenschüssel, eine Kiste Bücher und genug Wasser und Lebensmittel für einen Monat. Der Blick vom Balkon, der sich an der Westseite des Gebäudes entlangzog, reichte im weiten Bogen bis hinüber zum Interstate25 und zum Mile High Stadium. An beiden Enden des Balkons hatte er Kameras mit Bewegungssensoren aufgestellt; die eine erfasste die Straße, die andere das Gebäude auf der anderen Straßenseite. So würde er wahrscheinlich jede Menge gutes Filmmaterial bekommen, aber was sich wirklich lohnen würde, wären richtige Abschüsse. Die Waffe, die er dazu ausgesucht hatte, war ein Remington 700P Bolt Action, Kaliber .318– eine schöne Kombination aus Genauigkeit und Feuerkraft mit einer Reichweite von 300Metern. Er hatte das Gewehr mit einem digitalen Infrarot-Videozielfernrohr ausgestattet. Mit dem Fernglas würde er sein Ziel isolieren, und das Gewehr, das auf einem Zweibein auf dem Rand des Balkons stand, würde den Rest erledigen.
    In der ersten Nacht, windstill und von einem abnehmenden Mond erleuchtet, hatte Kittridge sieben Stück abgeschossen: fünf auf der Straße, einen auf dem Dach gegenüber und noch einen durch das Fenster einer Bank im Parterre. Der Letzte war es, der ihn berühmt gemacht hatte. Das Monster, der Vampir oder was immer es sonst sein mochte– die offizielle Bezeichnung lautete » infizierte Person«– hatte geradewegs ins Objektiv geschaut, als Kittridge ihm eine Kugel in den Sweetspot jagte. Er hatte die Aufnahme bei YouTube hochgeladen, und sie hatte sich innerhalb von Stunden um den Globus verbreitet. Am nächsten Morgen hatten alle großen Fernsehsender sie im Programm. Wer ist dieser Mann?, wollte alle Welt wissen. Wer ist dieser furchtlos-irre Selbstmörder, der sich da in einem Hochhaus in Denver verbarrikadiert hat und auf verlorenem Posten sein letztes Gefecht führt?
    Sein letztes Gefecht– so war der Name entstanden: » Last Stand in Denver«.
    Von Anfang an hatte er angenommen, dass es nur eine Frage der Zeit sei, wann jemand ihn stilllegte– CIA , NSA , Heimatschutz. Er machte einen ziemlichen Wirbel. Der Vorteil war, dass dieser Jemand nach Denver kommen müsste, um ihm den Stecker herauszuziehen. Kittridges IP -Adresse war faktisch nicht aufzuspüren; sie war abgesichert durch eine Kette von Anonymisierungsservern, deren Reihenfolge sich jede Nacht änderte. Die meisten standen in Übersee: in Russland, China, Indonesien, Israel, Sudan– an lauter Orten, die für amerikanische Behörden nicht leicht zugänglich
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