Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Zeitensegler

Titel: Die Zeitensegler
Autoren: Stefan Gemmel
Vom Netzwerk:
nachzudenken, was du mir angetan hast, und über das, was du mir antun wolltest.«
    Und damit wurden die Taue gelöst, das Beiboot wurde herabgelassen und schlug mit Wucht auf dem Meer auf.
    »Nein!« Nefertis entsetzte Stimme klang durch die Nacht. »Simon!«
    Die Zeitenkrieger kamen zur Reling gestürzt.
    Neferti streckte die Hände nach Simon aus. Tränen liefen ihr über die Wangen. Salomon, Moon und Nin-Si standen fassungslos an Deck.
    »Nein!«
    Doch es war zu spät. Das Boot mit dem gealterten und erkrankten Simon darin trieb bereits vom Seelensammler ab. Die Strömung hatte das kleine Boot ergriffen und nahm es nun mit sich. Fort. Weit fort von dem Seelensammler und von Simons Freunden.
    Und er konnte nichts dagegen tun.

    Mit einem lang gezogenen Schrei schreckte Simon aus dem Schlaf. Sein Herz bebte. Sein Atem raste. Heißer Schweiß rann ihm die Stirn hinunter.
    Er warf die Decke von sich, setzte sich mit einem Ruck auf und blickte sich hektisch um. Er war in seinem Zimmer. Er war zu Hause.
    Sofort sah er an sich herunter. Die Altersflecken auf seiner Haut waren verschwunden. Alles fühlte sich an wie immer. Simon sprang auf und rannte zu seinem Kleiderschrank. In dem großen Glasspiegel an der Tür betrachtete er sich ganz genau und atmete auf: Er sah aus wie immer.
    Hastig wandte er sich um und eilte zum Fenster, um hinaus auf das Meer zu blicken: Ruhig lag es unter einem schimmernden Sternenzelt, und der Mond spiegelte sich auf der glatten, weiten Fläche.
    Simon stützte seine Hände gegen die Fensterscheibe und versuchte angestrengt, mehr zu erkennen.
    Da!
    Er glaubte, einen Schein zu sehen, ein flackerndes Licht, weit am Horizont. Möglich, dass er gerade die Fackel auf dem vorderen Mast des Seelensammlers davongleiten sah. Doch er konnte sich auch täuschen.
    Tränen stiegen ihm in die Augen. Dort fuhren seine Freunde davon, und er hatte nicht einmal die Möglichkeit gehabt, sich von ihnen zu verabschieden. Simon musste mit aller Macht gegen den Impuls in sich ankämpfen, ans Ufer zu laufen und ihnen einen letzten Gruß zuzurufen.
    Er ließ die Hände sinken.
    »Bist du wach?«, hörte er die Stimme seiner Mutter nach ihm rufen und da erwachten wieder alle seine Lebensgeister. Seine Eltern! Er musste zu ihnen. Er wollte zu ihnen. Er musste ihnen zeigen, dass es ihm gut ging und dass die Sorgen, die sie sich bestimmt in den letzten Tagen gemacht hatten, völlig unnötig gewesen waren.
    Er rannte die Treppe hinunter, gleich zwei Stufen auf einmal nehmend. »Ich bin wieder da!«, rief er seinen Eltern zu.
    »Das sehe ich«, gab die Mutter zurück. »Und viel zu früh für deine Verhältnisse.«
    Jetzt lief Simon ins Wohnzimmer und fiel seiner Mutter um den Hals. »Ich bin wieder da«, flüsterte er.
    Seine Mutter drückte ihn an sich, doch sie wirkte einigermaßen verwundert. »Konntest du nicht schlafen oder was ist mit dir los?«
    Simon löste sich langsam aus der Umarmung. »Habt ihr euch denn keine Sorgen gemacht?«
    Seine Mutter stutzte und sah ihn verständnislos an. »Na ja, nicht unbedingt. Wir wussten ja, dass du im Bett liegst. Und dort ist die Unfallgefahr normalerweise nicht gerade besorgniserregend groß, oder? Sag, geht es dir wirklich gut?«
    Jetzt war Simon derjenige, der seine Mutter verständnislos anblickte. Dann jedoch fiel sein Blick auf die Digitaluhr im Wohnzimmerschrank.
    Sechs Uhr morgens.
    Und das Datum zeigte exakt den Tag seines Verschwindens an. Da wurde es Simon bewusst: Der Schattengreifer hatte ihn genau in die Zeit zurückgebracht, in der Simon das Haus verlassen hatte. Simon war nicht eine Sekunde seines Lebens hier verlorengegangen.
    Er verzog das Gesicht und grinste seine Mutter verlegen an. Sie musste ja denken, er wäre völlig übergeschnappt! »Äh, so eine Nacht kann einem manchmal endlos lange vorkommen, nicht wahr?«
    Das war ziemlich schwach, aber seine Mutter gab sich zufrieden: »Du scheinst ja wirklich schlecht geschlafen zu haben. Ich wecke mal deinen Vater, dann können wir gleich gemeinsam frühstücken, ja?«
    »Klingt super!«, antwortete Simon. Er lächelte ihr noch einmal zu, dann ging er zurück in sein Zimmer, zurück ans Fenster und blickte wieder auf das Meer.
    Dieser kaum wahrnehmbare, schwache Schein am Horizont war weiter verblasst. Wenn dies der Seelensammler war, dann entfernte er sich gerade mit aufgeblähten Segeln.
    Simon sah vor seinem geistigen Auge Moon auf dem Dach der Kajüte stehen, wie er sich im Lenken des Schiffes übte. Er sah
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher