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Die Zeitensegler

Titel: Die Zeitensegler
Autoren: Stefan Gemmel
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Stimme ausgefüllt. Doch dann spürte er, wie sich etwas Neues in seinem Kopf ausbreitete. Beinaheso, als mache die Stimme darin etwas Neuem Platz. Gefühle flammten in Simon auf. Er spürte etwas. Der Schattengreifer sandte ihm nicht nur seine Worte. Der Schattengreifer schickte Simon auch Gefühle. Tiefste Trauer und bitterste Enttäuschung machten sich in dem Jungen breit, füllten nicht nur seinen ganzen Kopf, sondern seinen gesamten Körper aus und ließen Simon nachempfinden, was in diesem Moment in dem Schattengreifer vor sich ging.
    »Ich hatte dich für reifer gehalten«, hallte es in Simons Kopf. »Und für klüger.«
    Der Schattengreifer kam die Treppe herunter und baute sich vor Simon auf. Ein wenig lockerte er nun seinen Griff, sodass Simon wieder atmen konnte.
    Die Zeitenkrieger wichen verängstigt zurück. Sie sahen keine Möglichkeit, Simon beizustehen.
    »Hier stehst du mit deinen Freunden und schmiedest neue Pläne gegen mich. Nach allem, was ich dir in der Kajüte gesagt und gezeigt hatte, habe ich gedacht, ich hätte einen Verbündeten in dir gefunden. Doch du ziehst es wohl vor, mein Gegner zu sein.«
    Simon wollte etwas erwidern, der Zauber des Schattengreifers beraubte ihn jedoch seiner Stimme.
    »Du willst also weiter gegen mich antreten«, fuhr der Schattengreifer fort. »Du willst mir das stehlen, was mir das Wichtigste ist: meine Zeit. Mit deinen Versuchen, die Zeitenkrieger zu retten, durchkreuzt du meine Ziele nicht. Du verzögerst die Dinge nur. Du kostest mich Zeit, denn für jeden Zeitenkrieger, der den Seelensammler verlässt, muss ich einen neuen herbeischaffen.«
    Simon wand sich im Griff des Magiers.
    »Du raubst mir also Zeit und Kraft. Und du glaubst, dass du richtig handelst.« Nun wurde die Stimme in Simons Kopf lauter. »Doch du irrst. Ich werde dir zeigen, was du mir antust. Ich werde dir deine Kraft nehmen und deine Zeit. Dann kannst du selbst entscheiden, ob dein Handeln richtig ist.«
    Die Stimme verstummte. Die gewaltigen Gefühle in Simon ließen nach. Sein Körper, sein Geist gehörten wieder ihm.
    Der magische Griff löste sich. Simon taumelte zurück.
    Plötzlich fuhr ein Blitz durch seinen Körper. Simon schrie auf. Etwas brodelte in ihm. Sein Herz fing augenblicklich an zu rasen. Etwas ging in ihm vor. Tief in ihm.
    Eine Kraft zwang ihn auf die Knie. Sein ganzer Körper erhitzte sich. Simon war, als lodere etwas in seinem Inneren. Als koche er aus. Seine Arme und Hände verkrampften sich. Die Haut zitterte. Sie zog sich erst zusammen, bevor sie an seinen Armen zusehends erschlaffte. Seine Muskeln verloren ihre Festigkeit. Und in diesem Moment wurde Simon bewusst, was mit ihm passierte.
    Er alterte.
    In Sekundenschnelle wurde aus dem Dreizehnjährigen ein uralter Mann. Altersflecken bildeten sich auf seiner Haut. Haare fielen ihm aus, und er erlebte, wie die Kraft aus seinem Körper fuhr. Sein Blick wurde trübe, das Atmen fiel ihm schwerer.
    Die Zeitenkrieger standen um ihm herum und verfolgten entsetzt das Geschehen, dazu verdammt, hilflos mit anzusehen, was mit ihrem Freund vor sich ging.
    Der Schattengreifer stand mit ungerührtem Gesicht in dem Schiffsrumpf, die Klaue noch immer ausgestreckt.
    Doch schließlich ließ er von Simon ab. Der Junge fiel vornüber und blieb auf der Seite liegen.
    »Kraft und Zeit habe ich dir genommen«, raunte der Schattengreifer in Simons Kopf. »Das, was du mir nehmen wolltest, habe ich dir zuerst genommen. Und nun komm!«
    Wieder war es eine magische Kraft, die Simon umschloss. Sie stellte ihn auf die Beine. Simon schwankte. Seine Knie zitterten unter der Last seines Gewichtes und er wünschte sich einen Stock zur Hilfe.
    Der Schattengreifer zog Simon mit sich. Durch den Schiffsbauch, die Treppe hinauf. Simon hatte Probleme, die Stufen zu nehmen. Seine Lunge rasselte, seine Gelenke knackten und versagten jeden Dienst. Was immer auch der Schattengreifer mit ihm gemacht hatte, Simon war nicht nur einfach gealtert. Ganz gewiss waren auch zahlreiche Erkrankungen in ihn gefahren. Dies war nicht das übliche Altern, das jedem Menschen bevorstand. Dies war ein unmenschliches Siechtum.
    Simon schleppte sich, angetrieben von der Kraft, die ihn umgab, auf das Deck des Seelensammlers. Die schwarze Magie zwang ihn zur Reling und brachte ihn dazu, mit Mühe über die Bordwand zu klettern und sich in das Beiboot zu setzen.
    »Kraft und Zeit, Zeit und Kraft«, tönte es in Simons Kopf. »Du wirst nun viel Gelegenheit haben, über das
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