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Die Zeitbestie

Titel: Die Zeitbestie
Autoren: Asher Neal
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Dann wandte sie sich dem Kunden zu und holte ein Kondom aus der Handtasche. Er öffnete bereits die Hose. Sie kniete sich vor ihn, dankbar für die Auspolsterung ihrer Kniestiefel. Die Sache dauerte nicht lang, und nachdem sie das Kondom in eine Ecke geworfen hatte, damit es sich dort mit den Übrigen zusammen abbaute, überwies der Kunde das Geld direkt auf ihre Karte.
    »Dann bis nächste Woche?«, fragte er und musterte sie beinahe besitzergreifend. Sie blieb vorsichtig und unverbindlich und sprühte sich vor seinen Augen mit Bedacht erneut Spermizid in den Mund, um ihm die Basis ihrer Beziehung deutlich zu machen. Sie hatte schon Stress mit einem Burschen gehabt, der sich zu sehr in sie vergafft hatte und anfing, Probleme zu machen. Als der jetzige Kunde gegangen war, bezog sie wieder ihren Posten. Bis zum Mittag hatte sie siebenhundert Euro verdient. Nicht schlecht, obwohl sie nach den letzten hundert ein wenig behutsam gehen musste. Sie ermahnte sich, nächstes Mal nicht wieder das Gel zu vergessen. Und während sie davonging, schwor sie sich, mit all dem Schluss zu machen, ehe sie sechzehn wurde. Das gab ihr immer noch sechs Monate Spielraum.
    Mit gewohntem Eifer kehrte Polly zu ihrer Wohnung zurück. Sie hatte heute Morgen gutes Geld verdient und die Hälfte davon in DPs, ein Achtel Marokkanisches, zehn 50-Gramm-Packs Tabak zum Selberdrehen, das dazugehörige Papier – ihrem örtlichen Schmuggler waren die Zigarettenpäckchen ausgegangen – und einen Liter Metaxa investiert. An ihrem Gewissen nagte der Gedanke, dass sie einen Teil des Geldes für die Miete und die Steuer hätte zurücklegen sollen, aber sie hatte hart dafür gearbeitet, anderen Vergnügen zu machen, und jetzt war es an der Zeit, für das eigene zu sorgen.
    Taktische Auswertung online. Tech-Com nicht verfügbar. Instruktionen?
    Vor der Tür warf sich Polly herum und griff in der Hüfttasche nach ihrem Taser, aber niemand stand hinter ihr. Sie nahm die Straße in Augenschein, und ihr Blick blieb schließlich auf den Gästen ruhen, die vor der Kneipe auf der anderen Straßenseite draußen an den Tischen saßen. Ein paar Männer dort sahen sie an, aber das war nicht ungewöhnlich: In einer solchen Aufmachung begegnete sie nur wenigen Männern, die sie nicht musterten. Niemand da drüben lachte, sodass sie es wahrscheinlich nicht mit einem Witzbold zu tun hatte, der einen Richtlautsprecher benutzte. Es deutete auch nicht daraufhin, dass man Werbecom an sie gerichtet hatte. Sie drehte sich wieder zur Tür um, benutzte die Schlüsselkarte und trat schnell ein.
    Schalte bis zu weiteren Instruktionen auf stumm.
    »Scheiße! Wer ist das?«
    Nirgendwo in ihrem Blickfeld entdeckte sie jemanden – niemanden, der einen Richtlautsprecher auf sie hätte richten können. Das bedeutete: In der Nähe musste ein Telefon versteckt sein.
    Muse 184, erfolgte die tonlose Antwort.
    »Was zur Hölle ist das?«, fragte Polly, aber etwas kitzelte ihr Gedächtnis. Hatte Nandru nicht den Begriff ›Muse‹ erwähnt? Sie versuchte, sich an das Gespräch zu erinnern, stellte aber fest, dass es dort leere und verschwommene Stellen gab, wie heutzutage in ihrem Gedächtnis fast immer. Auf einmal fiel ihr wieder seine Pistole ein: neueste Hardware wie in den Interaktiven VRs. Und was waren diese anderen Dinger, die man ›kleine Kumpel‹ nannte? Sie fasste an das Metall am Halsansatz. Scheiße, was zum Teufel hatte er ihr gegeben?
    »Wer spricht da zu mir?«, fragte sie.
    Muse 184, ertönte die gleiche Antwort.
    »Was zum Henker bist du?«
    Taktisches und referenzielles System Adaptech KI Muse 184. Elektronische Blockierung eingeschaltet. Achtung: Tech-Com ist nicht verfügbar, was an Com-Central gemeldet werden sollte. Instruktionen?
    »Halt die Klappe!«
    Schalte bis zu weiteren Instruktionen auf stumm.
    Polly rannte die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf und fummelte mit der Karte, um durch die Wohnungstür zu kommen. Als sie ihre Einkäufe aufs Sofa geworfen und sich daneben gesetzt hatte, zitterte sie. Einen Augenblick später holte sie einen in Folie gewickelten Block aus Harz hervor, öffnete eine Packung Tabak und machte sich daran, einen Joint zu drehen – wobei die vertraute Handlung das Zittern besser linderte als der Rauch, den sie schließlich einsog. Sie bemühte sich hart darum, ihre Gedanken auf die Reihe zu kriegen. Marjae zufolge hatte Nandru von einem wichtigen Job gesprochen, den er bei den Spezialkräften zu erledigen hatte. Also musste es dabei um
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