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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
Autoren: Roman Rausch
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gereicht hätte, und schaltete ihn an. Eine winzig kleine Scheibe fräste sich fiepend in die Ausfüllung. Wenig später war die Operation beendet. Ein Fenster wurde geöffnet, damit sich der Staubnebel lichten konnte. Die verschworene Gemeinschaft trat an den Tisch. Fiebrige Augen harrten auf den Moment der Offenbarung. Der Bischof nickte auffordernd.
    Zum Vorschein kam eine vergilbte, braune Rolle, die behutsam in der Mitte des Tisches platziert wurde.
    »Schaut nach Papyrus aus«, sagte der Archäologe.
    »Ich kann nur noch einmal warnen«, ereiferte sich der Chef der Denkmalpflege über vorschnelle und folgenreiche Schritte.
    »Ruhe!«, beschied der Bischof. Auf einen kurzen, zustimmen-
    den Blickkontakt mit Mayfarth folgte die Entscheidung. Nun gab es kein Zurück mehr.
    »Öffnen Sie es.«
    Einer der größten Irrtümer der Menschheit lautet: Alle Wege führen nach Rom.
    Ich wusste, dass mir der schwerste Gang meines Leben bevorstand. Nie und nimmer wollte ich es so weit kommen lassen. Das hatte ich mir im Alter von sechzehn Jahren geschworen, als ich mit Sack und Pack zu Hause ausund bei meiner damaligen Freundin einzog. Das war die ultimative, längst überfällige Abnabelung von Brust und Schoß meiner Mutter. Die Entscheidung, fortan selbstbestimmt, frei und eigenverantwortlich zu sein, ohne Rechenschaft ablegen oder jemanden um Erlaubnis fragen zu müssen, war längst überfällig. Endlich Mann.
    Ihre unheilschwangere Prophezeiung, dass ich alsbald wieder jammernd vor ihrer Tür auftauchen würde, wenn mir das Geld und/oder die Frauen ausgingen, quittierte ich mit dem überschäumenden Elan eines Halbwüchsigen: »Lieber schlaf ich unter den Brücken.« Diese Tür war zu. Für immer.
    Sag niemals nie. Noch so ein blöder Spruch. Aber er stimmte. Ich war der lebende Beweis. Ich brauchte ihre Hilfe.
    »Johannes?!«
    »Hallo, Mama.«
    »Was machst du denn hier?«
    »Ich war gerade in der Gegend und dachte, ich schau mal vorbei.«
    »Das ist schön. Komm rein, ich mach uns ’nen Kaffee.«
    »Mach dir bloß keinen Stress wegen mir.«
    »Das ist doch keine Arbeit, wenn der einzige Sohn einen mal besucht. Obwohl man ja gleich um die Ecke wohnt.« O Mann.
    »Weißt du, es war total viel los im Büro.«
    »Jaja.«
    »Echt, wenn ich’s dir sage.«
    »Du kannst mir doch nichts vormachen. Als Mutter weiß man Bescheid.« Klar.
    »Wie geht’s dir so?«
    »Wie soll es einem schon gehen … jeden Tag das Gleiche. Man steht auf, alleine, macht sich das Frühstück, alleine …«
    Nicht schon wieder diese Platte.
    »Mutter, wie geht es dir?!«
    »Na, wie ich schon sagte, wie soll es einer alten, kranken Frau schon gehen, so alleine.«
    »Also, wie immer.«
    »Mach dich bloß nicht lustig über mich. Ich sollte dich mal wieder übers Knie legen und …«
    »Mama, du hast mich nie übers Knie gelegt. Du hast Kochlöffel benutzt.«
    »Was für Kochlöffel?«
    »Du hast mich immer mit ’nem Kochlöffel aus Holz durch die Bude gejagt, wenn was los war.«
    »Ich? Dich? Niemals.«
    »Und ob. Hier sind die Narben.«
    »Schweig still. Ich habe dich niemals geschlagen.« Okay, dann eben nicht. Alles nur Einbildung gewesen.
    »Wie geht’s deinem Galan?«
    »Wem?«
    »Na, deinem Begleiter durch die goldenen Tage des Herbstes?«
    »Ausdrücke hast du. Er ist auf Reisen. Erbschaftsangelegenheiten.«
    »Und da lässt er dich einfach so ganz alleine hier sitzen? Na, das ist mir aber ein schöner Kavalier.«
    »Johannes!«
    »Ja, Mutter?«
    »Misch dich nicht in fremde Angelegenheiten, die dich nichts angehen.«
    Meinte ja nur.
    »Wie geht’s eigentlich deiner Freundin, dieser Ärztin. Wie heißt sie gleich wieder?«
    »Das weißt du ganz genau!«
    »Mein Gott, jetzt brüll mich doch nicht so an. Ich habe doch nur …«
    »Pia, Mama. Ihr Name ist Pia. Kurz und leicht zu merken.«
    »Genau, Pia. Ihr seid so ein schönes Paar, als ich euch das letzte Mal Arm in Arm auf der Straße gesehen habe.«
    »Ich bin nie mit Pia Arm in Arm auf der Straße gelaufen. Da musst du mich verwechselt haben. Oder sie war mit jemand anderem unterwegs. Das ist wahrscheinlicher.«
    »Jetzt hör aber auf. Eine Mutter wird doch ihr eigenes Kind erkennen, wenn es einem mal begegnet.«
    Es ist sinnlos.
    »Magst du noch immer nur Zucker in deinen Kaffee?«
    »Ja.«
    »Johannes, das ist ungesund.«
    »Was?«
    »Nur Zucker in den Kaffee. Das schmeckt doch nicht, und außerdem ist er dann viel zu stark. Du musst an dein Herz denken.«
    »Mein Herz ist voll okay.
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