Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zehnte Kammer

Die zehnte Kammer

Titel: Die zehnte Kammer
Autoren: Glenn Cooper
Vom Netzwerk:
versetzte.
    »Über das Feuer in Ruac! Was denn sonst?«
    »Es war doch nur ein kleiner Brand in der Abtei. Das Dorf ist vollkommen unversehrt geblieben. Nicht der Rede wert.«
    Gatinois gab sich damit nicht zufrieden. Er ließ den Blick über die am Tisch versammelten Männer schweifen, bis er bei Chabon ankam. Der war für Dr. Pelay zuständig. »Ich lese hier, dass Bonnet selbst den Einsatz der Feuerwehr geleitet hat. Außerdem wird in dem Bericht ein altes Buch erwähnt, das in einer Mauer versteckt war. Haben Sie diesen Bericht geschrieben, Chabon?«
    »Jawohl, mon Général.«
    »Und was war das für ein Buch?«, fragte der General mit eisiger Stimme.
    »Das wissen wir nicht«, antwortete Chabon kleinlaut. »Ich hielt das nicht für relevant.«
    Gatinois, der viel für Theatralik übrighatte, warf einen unheilschwangeren Blick hinauf zum Kronleuchter. Die Arbeit der Abteilung war oft ziemlich eintönig. Dadurch wurden seine Untergebenen manchmal ein wenig nachlässig und ließen die Dinge schleifen. Seit dem letzten nennenswerten Fortschritt waren volle sechs Monate vergangen. Gatinois war wütend über dieses Schneckentempo, mit dem seine Mission vorankam. Seine Beförderung hing davon ab.
    Seine Standpauke begann leise, wurde dann aber immer lauter. Schließlich brüllte er dermaßen, dass man es im ganzen Korridor hören konnte. »Unser Auftrag lautet Ruac. Ruac, Ruac und nochmals Ruac! Alles über Ruac ist relevant, bis ich persönlich gesagt habe, dass es das nicht ist. Wenn in Ruac ein Kind die Windpocken bekommt, will ich es erfahren! Wenn es in Ruac einen Stromausfall im Café gibt, will ich es erfahren! Und wenn irgendein gottverdammter Köter sein Geschäft mitten auf der Hauptstraße macht, will ich es auch erfahren! Da wird in der Abtei von Ruac ein altes Buch gefunden, das jahrhundertelang in einer Wand steckte, und mein Team von hochqualifizierten Spezialisten ist der Meinung, das sei irrelevant! Machen Sie sich bitte nicht lächerlich! Eine solche Überheblichkeit können wir uns nicht erlauben!«
    Seine Leute senkten die Köpfe und ließen das Donnerwetter über sich ergehen.
    Gatinois stand auf und überlegte kurz, ob er wutentbrannt den Raum verlassen und die Herren eine Weile über ihr weiteres Schicksal spekulieren lassen sollte. Stattdessen beugte er sich vor und ließ die Faust auf die polierte Tischplatte krachen. »Gott im Himmel, Leute, das ist Ruac!«, rief er in die Runde. »Und jetzt krempelt eure verdammten Ärmel hoch und macht euch an die Arbeit!«

VIER
    Die Firma H. Pineau Restaurierungen hatte ihr Büro in der Rue Beaujon, einer Querstraße der Avenue Hoche, nur ein paar Häuserblocks entfernt vom Arc de Triomphe. Hugo, der das teure Viertel aus Prestigegründen gewählt hatte, konnte sich hier allerdings nur ein paar Räume leisten. Er selbst wohnte im 7. Arrondissement, wo er einen schönen Blick über die Seine hatte. Bei gutem Wetter ging er zu Fuß in die Firma, wobei er auf dem Weg gemütlich einen Zigarillo rauchte. Seine Kunden zeigten sich regelmäßig beeindruckt von seiner geschmackvollen Bilder-und Antiquitätensammlung im Büro – von seiner atemberaubend schönen, rothaarigen Sekretärin ganz zu schweigen.
    Als überzeugter Kosmopolit brauchte er die Stadt wie die Luft zum Atmen und wurde immer ein wenig melancholisch, wenn er seine Werkstätten besuchen musste, die sich in einem tristen Industriegebiet nahe des Flughafens Orly befanden. Hier wurden in einer großen Wellblechhalle Bilder, Statuen, Bücher und Handschriften aus ganz Westeuropa und Übersee angeliefert, an denen 30 unermüdliche Restauratoren die Folgen von Feuer-und Wasserschäden sowie anderer Katastrophen zu beseitigen versuchten.
    Als Hugo von der Rezeption Lucs tiefen Bariton hörte, sprang er in seinem Büro auf und lief seinem Freund entgegen.
    »Schön, dass du da bist!«, rief Hugo und schloss Luc ungestüm in die Arme. Der war einen Kopf größer als er, muskulös und braungebrannt von der vielen Arbeit im Freien. Im Vergleich zu ihm kam sich Hugo blass, knabenhaft und verweichlicht vor.
    »Siehst du, jetzt hast du Margot endlich kennengelernt«, sagte Hugo. »Habe ich dir nicht versprochen, dass sie einfach wunderbar ist?« Dann wandte er sich an seine Sekretärin und sagte: »Und Sie kennen nun endlich Luc. Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass er einfach großartig ist?«
    »Und wieder einmal hat es Hugo geschafft, zwei Menschen gleichzeitig in eine peinliche Situation zu bringen«, sagte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher