Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Titel: Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)
Autoren: Rudolf Taschner
Vom Netzwerk:
Grabräuber der in ihnen gelagerten Schätze bemächtigt. Auch aus dem Grab des Tutanchamun wollten Räuber das viele Gold und den wertvollen Schmuck entwenden. Aber sie wurden offenbar bei ihrem Vorhaben gestört, ließen die Beute zurück und flüchteten. Und so fand Carter das Innere des Grabes fast unversehrt vor. Im Licht der Fackeln und Lampen strahlte in der düsteren Gruft das viele Gold, das 3244 Jahre lang – so viel Zeit war seit des Pharaos Tod vergangen – im Dunkel seiner Entdeckung geharrt hatte.
    Was veranlasste die Ägypter, ihrem Herrscher, der in Wahrheit nur ein gebrechliches Menschenkind gewesen war, solche Verehrung entgegenzubringen? Eine Verehrung, die über seinen allzu frühen Tod hinausreichte, so dass sie seine letzte Ruhestätte mit wertvollen Schätzen, mit reichen Grabbeigaben, mit Prunk und Zier ausstatteten? Die meisten der Ägypter haben ihren Pharao nie gesehen. Sie schufteten als Bauern und Handwerker an den Ufern des Nils, jenes gewaltigen Flusses, der die ägyptische Wüste bis hin zum Mittelmeer durchzieht und der den Menschen das Leben in der sonst unwirtlichen Gegend ermöglicht. Der Nil spendet ihnen das dringend nötige Wasser, vor allem aber überflutet er immer wieder das Land. Bei diesen Überschwemmungen bringt er von seinemOberlauf im fernen Süden fruchtbare Erde mit. Sie setzt sich, wenn der Nil wieder in sein Flussbett zurückfindet, am Ackerboden ab und bildet so den Dünger für überreiche Getreideernten. Der Pharao war für die Bauern und Handwerker ein fernes, ein mächtiges Wesen. Sie hörten wundersame Geschichten von diesem geheimnisvollen König, der – so wurde geraunt – ein Sohn der Götter selbst sein solle, vom Himmel herabgekommen, um über Ägypten zu herrschen. Er sei Gebieter über die Welt, so wurde dem einfachen Volk weisgemacht. Er befehle den Fluten des Nils zu kommen und zu gehen.
    Und selbst die ganz wenigen, die den Pharao wirklich zu Gesicht bekamen, werden ihn nur an besonders heiligen Tagen erblickt haben. Angetan mit wertvollstem Geschmeide, goldenen Gewändern, die seinen von Leiden geschlagenen Körper verhüllten, wenn er, das Henkelkreuz, das Zeichen des Lebens, wie ein Szepter in der Hand haltend vom Thron aus feierlich verkündete: Nun kämen wieder die Tage, dass der Nil über seine Ufer tritt, das trockene Land befruchtet, Nahrung und Leben schenkt. Nur eine Handvoll Auserlesener wird es gewesen sein, die wirklich um des Pharaos Zustand als kranker und wohl auch schwacher Mensch gewusst haben. Aber diese Kenntnis durfte nicht nach außen dringen, keiner außerhalb des innersten Beraterkreises durfte wissen, dass der Pharao weder stark noch göttlicher Herkunft war. Denn dann wäre der Glaube der Ägypter an dessen Herrschergewalt zerstört, das ganze riesige Reich vom Zerfall bedroht gewesen. Einer musste ja, so waren die Berater des Pharaos überzeugt, die Oberherrschaft über die Arbeit der Bevölkerung haben, einer musste ihnen befehlen, wann zu säen und wann zu ernten sei. Und dieser eine war der Pharao, der Sohn seines Vaters und der Nachfahr seiner Ahnen, die auch schon Pharaonen gewesen waren, egal um was für eine kümmerliche Gestalt es sich bei ihm handelte.
    Auch wusste Tutanchamun nicht selbst, wann der Nil mit dem fruchtbaren Schwemmland über seine Ufer treten würde. Seine Berater teilten ihm dieses Wissen mit. Sie waren die eigentlichen Herrscher des Landes, verbargen sich aber hinter der Figur des Pharaos. So hielten es die Berater in jahrtausendealter Tradition – und sie taten es nicht allein aus Respekt vor dem Herrscherhaus, sondern auch, weil sie es wollten: So konnten sie sich von den mühseligen Pflichten fernhalten, die ein Pharao auf sich nehmen musste: Könige und Gesandte anderer Länder empfangen, wenn nötig an der Spitze seines Heeres Feldzüge unternehmen und Kriege führen, bei den hohen Festtagen in den schweren Gewändern stundenlang bei Zeremonien zu Ehren der Götter mit ernsthafter Miene Würde zeigen. Die Berater hatten ein angenehmes, ruhiges, unbeschwertes Leben im Schatten des ruhmreichen Pharaos.
    Ein solch schönes Leben konnten sie sich leisten, weil sie wussten, wie man den Zeitpunkt des Nilhochwassers berechnen konnte. Sie beobachteten die Sterne, die über der Wüste Ägyptens Nacht für Nacht glanzvoll strahlten. Und sie stellten fest, dass immer nach dem Erscheinen eines besonders hellen Sterns knapp vor Sonnenaufgang, des Sirius im Sternbild der Hunde, der Nil über
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher