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Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)
Autoren: Sarwat Chadda
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Oberhand. Billi sah, wie zwei Werwölfinnen eine Lücke durchbrachen und ihren Vater ansprangen. Sein Schwert traf eine in den Schlund, aber die zweite riss ihn um. Lance’ Schwert stieß in die Flanke der Wölfin und schleuderte das Ungeheuer weg.
    Gwaine, Mordred und Gareth kamen die Straße hinuntergestürmt. Ihre Pfeile waren aufgebraucht, und sie stürzten sich in den Nahkampf. Gwaine schwang seine Streitaxt in weiten, Schädel zerschmetternden Bögen, während sie sich zum Templermeister durchkämpften.
    Billi versuchte sich hochzustemmen, aber sie fühlte sich, als wäre jeder ihrer Muskeln zerfetzt. Es gelang ihr, einen Balken weit genug wegzuschieben, um aus dem Schutt hervorzukriechen. Ihr Kettenhemd hing in Fetzen, und Blut tropfte aus einem Schnitt an ihrer Stirn, so dass sie einen Moment lang nichts sehen konnte. Der Geschmack des Bluts brannte ihr auf den Lippen.
    Baba Jaga schleppte ihre Gefangene von der Ruine weg, während Wassilissa schrie und sich im Griff der Alten wand.
    Die Rote sprang über die geborstenen Trümmer. Sie schnüffelte am Boden; dann sahen ihre smaragdgrünen Augen auf, um Billis Blick zu begegnen.
    Zorn erfüllte Billis Herz. Ihr war schwindlig vor Wut.
    »Aus dem Weg!«, knurrte Billi.
    Die Rote schlich sich näher heran. Dann teilte sich der zerbrochene Beton zwischen ihnen, und Iwan langte daraus hervor, den Revolver in der Hand. Er schoss auf die Rote, aus tödlicher Distanz und mitten in ihren Bauch. Sie stolperte zurück, und er schoss eine zweite, dann eine dritte Kugel in sie hinein.
    Aber sie fiel nicht.
    Als sie sprang, stand Iwan auf, beide Hände an der Pistole. Er drückte den Revolverlauf gegen den Magen der Roten; zwei gedämpfte Explosionen ertönten in kurzer Folge. Die Rote rammte ihm die Klauen in die Brust und brüllte in wildem Hass. Iwan fiel hintenüber, schoss noch einmal und traf die Werwölfin in die Brust.
    Die Rote zuckte, und helles Blut quoll aus ihrem Bauch hervor, als ihr Körper sich verwandelte. Die Haare begannen, sich in ihr bleiches Fleisch zurückzuziehen, und die Gliedmaßen verdrehten sich unter der pulsierenden Haut. Iwan lag auf dem Rücken, die Finger noch immer um die Pistole geschlossen; seine aufgerissene Brust blutete heftig. Billi trat auf ihn zu und berührte sein Gesicht. Er schloss die Augen und seufzte.
    »Iwan?« Sie legte ihm die Finger auf die stummen Lippen. »Iwan!«
    Nein, nein, nein! Nicht schon wieder. Billi presste sich die Fäuste an den Kopf, aber sie wollte schreien.
    »Billi!«
    Wassilissa hatte den Kopf gehoben. Sie starrte Billi an, die Augen riesengroß vor Entsetzen. Baba Jaga hob das Mädchen hoch und leckte sich die großen, eisernen Reißzähne. Ihre Kiefer knirschten wie Stahlplatten, als sie den Mund weiter und immer weiter aufriss und den Kopf fast wie ein Tellereisen zurücklegte.
    Billi sah Iwan noch einmal an, dann durchsuchte sie fieberhaft die staubige Ruine. Sie ließ sich auf Hände und Knie nieder und suchte zwischen den zerbrochenen Gussblöcken und Ziegeln nach ihrer Waffe. Schließlich erspähte sie den Bogen, eingeklemmt unter einem der umgestürzten Schränke.
    Irgendwie hatte der Bogen es überstanden. Ein langer Riss verlief durch das Holz, aber die Sehne war immer noch straff wie Draht gespannt.
    Der Pfeil lag unter zwei Betonstücken einen Meter entfernt. Billi erspähte ihn durch den dünnen Spalt, der geblieben war, als die Wand und das Dach aufeinandergestürzt waren.
    Wassilissa schrie, und Billi sah sich nach ihr um. Das kleine Mädchen versuchte, sich zu wehren, konnte der Kraft der Alten aber keinen Widerstand entgegensetzen. Wassilissa trat verzweifelt um sich, während sie mit dem Kopf voran im aufgerissenen Maul des alten Ungeheuers versenkt wurde. Der Mond war voll, und mit einem Schnappen ihrer Kiefer würde Baba Jaga Wassilissa komplett verschlingen: ihr Fleisch, ihr Blut, ihre Kräfte.
    Billi wollte losrennen und an der Hexe zerren, aber sie kämpfte den sinnlosen Drang nieder. Sie schrie vor Wut und Enttäuschung, griff mit ausgestreckten Fingern durch den Spalt und konnte doch den Pfeil nicht erreichen. Ein Zittern durchlief den Boden, und die Betonblöcke rutschten näher zusammen und zwängten Billis Arm ein. Wenn sie sich noch weiter bewegten, würde er abgetrennt werden.
    Billi musterte die beiden Avatare: Einer war uralt, verlebt, weise und böse, der andere ein zerbrechliches Kind. Sie schob ihre Schulter in das Loch und reckte die Finger, so weit sie nur konnte.
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