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Die Woelfin

Die Woelfin

Titel: Die Woelfin
Autoren: Vampira VA
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würde es von einer vertrauten, lieben Hand gestreichelt.
    Würde er all dies auch dann noch spüren? Hatte man noch Gefühle, danach? Oder spürte man dann nur noch, wie sich krabbelndes Leben durch die Wände des hölzernen Behältnisses bohrte, in das man zur letzten Ruhe gebettet worden war. Mit unzähligen Beinen über deinen reglosen Körper krabbelnd oder feucht über dein kaltes Gesicht kriechend auf der Suche nach einem Weg nach Innen, nach Nahrung.
    Die ihn umwehende leise Brise trug das Aroma schwammiger Borken der umstehenden Bäume an seine Nüstern, das harzige Odeur schattenspendender Lärchen und das Bukett der verwelkenden Blumen, die überall um ihn herum in dunkelgrünen Kunststoffvasen, angefüllt mit faulendem Wasser, in der erst vor kurzem ganz aufgetauten Erde der Gräber steckten.
    Ja, was würde er riechen, wenn er tot war? Dies hier? Den über-wältigenden Duft einer in voller Blüte stehenden Sommerwiese? Oder den Gestank seines eigenen verwesenden Körpers, eingeschlossen in einer morsch gewordenen Holzkiste?
    Tränen traten in seine Augen und verschleierten seinen bislang ungetrübten Blick in den hellblauen Aprilhimmel. Erst jetzt, wo seine primären Wahrnehmungsorgane seinem Gehirn keine sinnvoll verwertbaren Informationen mehr lieferten, fühlte er richtig, wie die Kälte des glatten, schwarzen Steins aus Onyx, auf dem er lag, in seinen Körper eingedrungen war, seine Knochen ausfüllte und das Mark schmerzen ließ.
    Über sein Schluchzen hinweg hörte er in nicht allzu weiter Ferne die Geräusche eines Spatens oder einer Schaufel, die in die lehmigfeuchte Erde drang und die hellbraunen Krumen von sich schleuderte. Dazwischen konnte er immer wieder abwechselnd das angestrengte Stöhnen und Keuchen eines arbeitenden Menschen ausmachen, ab und zu mal ein paar Flüche, die aber anschließend sofort wieder durch fröhliches Pfeifen aufgelockert wurden.
    Seltsam. Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie jemand an einem Ort wie diesem, der soviel Schmerz und Trauer barg, arbeiten konnte und dabei auch noch frohgemut war. Er zog die Nase hoch, legte sich auf die Seite, indem er die Knie anwinkelte, den Rücken krümmte und seine Beine fest an den Körper anzog. Er faltete seine Hände, um sie unter die Wange zu legen, mit der er auf der kalten Grabplatte lag, um so in die Richtung schauen zu können, aus der die Laute zu ihm herüberdrangen.
    Dabei blickte er auf eine frisch ausgehobene Grube im Rasen, die in einem bisher nicht genutzten Teil des Friedhofs entstand und nun zu einem neuen Grab werden würde. Neben der einen Längsseite des Lochs türmte sich die ausgeworfene Erde zu einem Hügel auf, auf dem in regelmäßigen Abständen eine weitere Schaufelportion landete, von der aber immer wieder einige Brocken den mittlerweile zu steil gewordenen Erdhang wieder ins Grab hinabpurzelten. Er konnte hören, wie der Arbeiter dort unten mehr und öfter fluchte und sei-ne Unmutsäußerungen auch von Mal zu Mal markiger wurden.
    »So ein Mist, verdammter!« hörte er es von unten aus der Grube grummeln. »Was ist denn da oben los?«
    Dann sah er, wie der verdrossene Bedienstete die kleine Holzleiter erklomm, die auf dem Grund des Grabes stehen mußte, das heißt er sah, wie die beiden Enden der Holme, die oben über den Rand des Loches hervorlugten, bei dem Aufstieg erzitterten.
    Ein älterer Mann kam über dem Horizont der Grube zum Vorschein: zuerst ein brauner Cordhut, auf dem ein paar Krümel wieder herabgefallener Erde klebten, ein sonnengebräuntes, wettergegerb -tes, faltiges Gesicht, das zu einem mürrischen Ausdruck verkniffen war, danach ein ebenfalls sporadisch mit Erdkrumen bedeckter massiger Oberkörper, der in einer blauen Arbeitsjacke steckte, gefolgt von zwei kräftigen Beinen in einer weiten, schwarzen, mittlerweile lehmbefleckten Cordhose, die in den Schäften schwarzer Gummistiefel verschwanden.
    »Ja, was ist das denn?« polterte er los, als er den Jungen gewahr wurde, der keine zwanzig Meter direkt vor ihm in seinem Gesichtsfeld auf der Steinplatte der Gedenkstätte der im Krieg in der Fremde gefallenen Soldaten zusammengekrümmt wie ein Fötus im warmen Mutterleib in der Sonne lag und ihn geistesabwesend anstarrte, als hätte er noch gar nicht bemerkt, daß man ihn längst erblickt hatte, ganz so, als sei er an seinem Lagerplatz sicher wie unter einer Tarnkappe, den Blicken der übrigen Welt entzogen.
    »He, du Bengel, was tust du da?« brüllte der alte Mann beinahe so, als
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