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Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Titel: Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
Autoren: Elli H. Radinger
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meisten Touristen achtlos vorbeigehen. Die pummeligen Biber, die flinken Antilopen, die stolzen Hirsche und die mächtigen Bisons, die Vögel, Insekten, Blumen. Es ist ein ganzes Universum da draußen, das wir viel zu oft nicht beachten, weil es nicht »groß« oder nicht »spektakulär« genug ist. Und hier finde ich sie auch noch – die Ruhe. Die allumfassende, umgreifende Stille, die mich einhüllt wie ein weicher, zarter Mantel und die mich eins werden lässt mit dieser Welt.
    Wenn ich dann irgendwo auf einem Baumstumpf sitze und in den Zauber von Yellowstone eintauche, dann geschieht es manchmal: eine Bewegung, ein Schatten – ein Wolf, der mich beobachtet. Dann gibt es nur noch den Wolf und mich.
    Das sind Momente, die mich süchtig machen und die mich immer wieder an diesen Ort zurückkehren lassen.
     
    Im vorliegenden Buch erzähle ich die Geschichte der Wölfe von Yellowstone während der ersten zehn Jahre seit ihrer Rückkehr und die der Menschen, die sie berührt haben. Das Buch erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Abhandlung. Vielmehr schildere ich die Ereignisse der Wiederansiedlung und die ökologischen Folgen aus der Sicht vieler, die daran beteiligt waren, und auch aus meinem eigenen persönlichen Blickwinkel und meinen Beobachtungen. Wenn ich dabei gelegentlich sentimental oder emotional werde, dann möge mir der Leser das verzeihen. Niemand, der die Wölfe von Yellowstone kennt und ihren Spuren gefolgt ist, kann sich dieser Gefühle erwehren. Sie berühren tief in uns etwas, das in unserem hektischen Alltag so oft verschüttet ist. Und sie machen uns ein Geschenk. Dadurch, dass wir sie beobachten und an ihrem Leben, Jagen und Sterben teilhaben dürfen, schenken sie uns ein Stück Wildnis und geben uns damit etwas von uns selbst zurück.
    Darum widme ich dieses Buch den Wölfen von Yellowstone und den Menschen, die für ihre Rückkehr gearbeitet haben.
     
    Elli H. Radinger
     

Geschichte der Wölfe von Yellowstone
     
    Februar 2003
    Die Luft ist kalt an diesem Wintermorgen in Montana. Der fahle Schein der aufgehenden Sonne umhüllt die zarten Konturen der Berge von Cooke City, während das Thermometer langsam aus den unwirtlichen Tiefen von minus dreißig Grad Celsius nach oben klettert. Mein Allrad schnurrt warm und sicher im frischen Schnee. Noch ist kein Schneepflug unterwegs, und ich ziehe eine jungfräuliche Spur auf der Straße. Als ich durch das noch tief schlafende Silver Gate fahre, sehe ich im Rückspiegel die ersten Scheinwerfer. So früh kann nur einer der Biologen unterwegs sein. Ich lasse ihn überholen. Wir werden uns heute noch öfter sehen.
    Ich habe es nicht eilig. In der Ferne sehe ich den Lichtschein der Ranger-Station am Parkeingang, die unter einer dicken Schneehaube liegt. Im Winter ist das Kassenhäuschen am Eingang nicht besetzt. Jeder, der es bis hierhin schafft, hat bereits seinen Eintritt in Gardiner bezahlt. Die Straße endet hinter Cooke City an meterdicken Schneewänden. In dieser kalten Jahreszeit ist der nördliche Teil des Parks für Autos gesperrt. Nur die lebensnotwendige Verbindungsstraße durch das Lamar Valley ist für den Verkehr geöffnet. Sonst gehört der Park den Tieren und den wenigen Touristen, die sich hierher verirren.
    Während ich meinen heißen Kaffee aus dem Thermobecher schlürfe, fahre ich langsam die Straße aus der höher gelegenen Bergregion hinunter ins weite Lamar Valley, das wegen seiner Artenvielfalt auch die »Serengeti Amerikas« genannt wird. Selbst die Elche lassen sich an diesem Morgen noch nicht blicken. Die Bisons schieben unbeeindruckt von der Kälte den Schnee mit ihren mächtigen Schädeln zur Seite, um an die spärlichen Grashalme zu kommen. Sie haben einen zarten Schneemantel angelegt und ihr Atem bläst dicke weiße Wolken in den jungen Tag wie der Old Faithful kurz vor einer Eruption. Der beißende Geruch von faulen Eiern weist darauf hin, dass ich mich dem Soda Butte nähere, einem Kegel aus Kalkablagerungen. Hier treffe ich auch wie jeden Morgen meine Gruppe »Junggesellen«. Ich habe sie so getauft, weil es eine kleine Herde von Wapiti-Hirschbullen ist, die unzertrennlich zu sein scheinen und mit ihren stolz erhobenen Häuptern und ihren stattlichen Geweihen sicherlich das Herz einer jeden Hirschkuh erwärmen. Als ich näherkomme, werfen sie den Kopf zurück und laufen in langsamem Trab davon. Noch vor einigen Jahren wären sie unbeeindruckt stehen geblieben. Seit der Rückkehr der Wölfe sind sie sehr
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