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Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Titel: Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
Autoren: Elli H. Radinger
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Wölfe beobachten. Von hier kam auch ihr aufgeregter Ruf in das Funksprechgerät »Number 10's out« und »Number 9's out«, als die ersten beiden Wölfe nach fast 40 Jahren Abwesenheit in die Wildnis hechteten.
    Die Sonne hat einen Teil des Schnees getaut. Ich ziehe die Schneeschuhe aus, öffne das Tor zum Gehege und schließe es hinter mir. Die hölzernen Hütten, die für die Wölfe gebaut worden waren, zerfallen langsam. Die Wölfe haben sie lediglich als Aussichtsplattform benutzt. An Stellen, wo der Schnee geschmolzen ist, liegen noch ein paar ausgeblichene Hirschknochen. Die ausgelaufene Trampelspur im Inneren des Geheges wächst langsam mit Gras zu.
    Ich setze mich unter eine Tanne auf ein trockenes Plätzchen. Den Rücken an den Baum gelehnt, habe ich einen weiten Blick auf die umliegenden Berge. Wie fühlt sich wohl ein Wolf, wenn er hierher kommt? Herausgerissen aus seiner Familie, betäubt, von menschlichen Händen vermessen und gewogen, eingesperrt in einen engen, dunklen Käfig, transportiert unter lautem Lärm, bis sich schließlich die Käfigtür öffnet und er sich erneut in Gefangenschaft befindet. Er versucht, zu fliehen. Fort von diesem schrecklichen Geruch der Zweibeiner. Aber es gibt keine Fluchtmöglichkeit. Er beißt sich die Lefzen blutig, aber der Zaun gibt nicht nach. Irgendwann gibt er auf und tut das, was ein Tier schon immer getan hat, um zu überleben: Er passt sich an. Er bildet eine neue Familie, frisst das Futter, das ihm gebracht wird und schaut auf die großartige Landschaft, die vor ihm liegt. Ob Wölfe von Freiheit träumen?
    Während ich versuche, mich in sie hineinzuversetzen, denke ich zurück an die Zeit, als sie noch in diesem Gehege lebten.
     
    Die Wölfe kommen
    Der 12. Januar 1995 war ein besonderer Tag im kleinen Örtchen Gardiner. Seit Wochen schon waren alle Hotelzimmer von Fotografen und Medienvertretern ausgebucht. Die Kinder des Ortes hatten schulfrei bekommen. Die Läden waren geschlossen. Alle standen sie erwartungsvoll entlang der Straße, die in den Yellowstone-Park führt. Journalisten und Fernsehteams hatten sich an den Hügeln über dem Torbogen versammelt, um das Medienereignis im Überblick zu haben. Es herrschte Festtagsstimmung.
    Und dann kamen sie!
    An der Spitze der Wagenkolonne fuhren mehrere Ranger mit Blaulicht durch den massiven Steinbogen, die Roosevelt Arch, das Wahrzeichen des Parks. Ihnen folgte ein Truck mit einem langen, grauen Pferdeanhänger, in dem sich acht Aluminium-Boxen befanden. In einer war die schwarze Wölfin, die als Nummer Neun berühmt werden sollte, in einer anderen lag ihre einjährige Tochter, Nummer Sieben. In den restlichen Boxen lagen Nummer Vier, ein schwarzer Leitwolf mit silbernen Strähnen im Nacken, die hellgraue Leitwölfin, Nummer Fünf, ihre fünf Jährlinge (geboren im Frühjahr 1994, alles Rüden) und Nummer Acht (der kleinste von allen).
    Die Menschen am Straßenrand jubelten, viele hatten Tränen in den Augen. Im Headquarter des Parks, in Mammoth Hot Springs, schlossen sich alle, die am Projekt unmittelbar beteiligt waren, dem Konvoi an: Mike Finley, der neue Direktor des Parks, Mollie Beattie, Leiterin der U.S. Fisch- und Wildbehörde, und Innenminister Bruce Babbitt. Auch die Biologen warteten schon: der Projektleiter Mike Phillips, Doug Smith, der die Feldforschung koordinieren sollte, Steve Fritts von der Fisch- und Wildbehörde und Mark Johnson, der Tierarzt.
    Die Wölfe waren längst nicht mehr betäubt. Still lagen sie mit schreckensweiten Augen in ihren metallenen Käfigen, desorientiert und müde von 20 Stunden Transport, Lärm, fremden Gerüchen und Angst.
    Der Truck fuhr weiter ins Lamar Valley. Es wurde ruhiger. Das gesamte Tal war vom Park Service gesperrt worden, und nur wenige Pressevertreter und Fotografen, die durch Los gezogen worden waren, durften mitfahren. In einer kleinen Parkbucht hielt der Truck. Das letzte Stück der langen Reise mussten die Wölfe paradoxerweise mithilfe der Tiere zurücklegen, die zu ihren Beutetieren gehören: Die Container wurden auf große Pferdekutschen umgeladen, die von zwei Mulis gezogen wurden. (Damit die Mulis wegen des Geruchs ihrer Erzfeinde auf dem Wagen nicht in Panik gerieten, hatten ihnen die Kutscher Eukalyptus-Öl unter die Nüstern gerieben.) Nach etwa einer Meile war die wertvolle Fracht am Crystal-Creek-Gehege angekommen. Auf den letzten hundert Metern wurden die berühmtesten Wölfe der Welt von der Prominenz selbst getragen: Mollie Beatty, Mike
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