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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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gewesen, aber egal. Heute dafür eher massig-flüssiger Stuhlgang → dem Rotwein sei Dank. Schaufle eine Extraportion Asche in den Tontopf, damit mein Geschäft trocken bleibt.
    +++ Europäer arbeiten zu wenig und zu kurz +++ Warnung von Moody’s vor Abstufung für Wien, London, Paris +++ Griechische Wirtschaft bricht massiv ein +++ Notenbank rechnet mit 1,5 Prozent BIP-Rückgang für Italien +++ Parteienförderung in Österreich wird verdoppelt +++ Berater erhielt 500.000 für seine Leistung +++

FORTSETZUNG VERHÖRPROTOKOLL, 24. JULI 2012
    [...] Veränderung? Ob ich an Helen eine Veränderung wahrgenommen habe? – Na ja, das ist vielleicht nicht das richtige Wort. Vor ein paar Monaten war Helen plötzlich ... lebendiger, würd ich sagen. Wacher. Aber gleichzeitig auch ... verwirrter. Als wäre sie geistig woanders. Als würde sie was beschäftigen. [...] Nein, ich hab
nicht
nachgefragt. Wenn sie nicht von sich aus erzählt, kann man das vergessen, da erfährt man nichts. Ich hab mir auch nicht allzu viel dabei gedacht. War halt so ein Eindruck von mir. Erst wie sie meinen Vorschlag, ins Restaurant zu gehen, angenommen hat, war ich überrascht. Sie hat sogar darauf bestanden, zum Italiener an der Ecke zu gehen. Was mir ein bissl ungeheuer war. Das war doch Helens und Leos Stammwirt. Ich hab ungute Erinnerungen und niedergeschlagene Stimmung befürchtet. Melancholie, vielleicht sogar einen Rückfall. Aber Helen wollte unbedingt.
    Sie müssen sich das vorstellen, Helen war fast zwei Jahre in keinem Restaurant oder Café, kein Kino, Theater. Nichts. Und dann gleich zu dem Italiener, der für sie mit so vielen Erinnerungen an Leo verbunden ist. Das hat mich natürlich erstaunt. Aber auch irrsinnig gefreut. Nicht einmal, dass ich ein paar Freundinnen mitnehmen wollte, hat sie gestört. Also der Restaurantbesuch war die erste grundlegende Veränderung, die ich an ihr bemerkt habe, würd ich sagen.
    [...] Der Abend verlief dann – na ja, ich kenn Helen ja schon lange, und meine Freundinnen haben es mit Humor genommen. Helen war gut drauf, der Rest ist nicht so wichtig. [...] Gar nichts war schlimm, gar nichts. Nach dem Hauptgericht und drei Vierteln Barolo hab ich eh schon gewusst, was auf mich zukommen wird. Helens Augen haben dieses laszive Stechen ausgestrahlt. Im ungünstigsten Fall löst sich eben die Tischgesellschaft vorzeitig auf, hab ich mir gedacht, und mein versöhnliches Lächeln aufgesetzt, um meine Freundinnen demonstrativ zu überzeugen, dass der Abend schön ist, egal was noch kommen sollte.
    Helen hat sich zufrieden zurückgelehnt, eine Hand lässig über die Rückenlehne, in der anderen ihr Rotweinglas. Ihre Wangen haben rosig durchblutet in die Runde geglänzt. Sie hat gelächelt und allen jovial zugeprostet. Dann hat sie angesetzt: »Wisst ihr, wenn ich wohlig sattgefressen bin, weiß ich wirklich nicht, weshalb sich der Mensch dermaßen verblödete Ablenkungen einfallen lässt und nicht einfach seiner Aufgabe nachgeht. Alles setzt er daran, seine wahre Existenzberechtigung zu leugnen, wo nur möglich zu diffamieren, bis in die Sprache hinein zu verunglimpfen. Dabei könnte er es so einfach haben.«
    Ich mein, ich kenn ja ihre Ansichten, aber meine Freundinnen haben aufgehorcht. »Wir haben eine Aufgabe?«, hat eine vorsichtig gefragt, und Helen damit angestachelt.
    »Und ob. Wir haben eine
einzige
Aufgabe und die lautet,
Scheiße zu produzieren
.« Sie hat eine Pause eingelegt, um sich zu sammeln. Der Wein hat ihre Stimmung zusätzlich angeheizt und Helens Aussagen pathetischer als gewöhnlich klingen lassen. In etwa hat sie gesagt: »Typischerweise, aber zu Unrecht, haben wir unsere Aufgabe an den Rand unserer Gesellschaft und folglich unserer Sprache gedrängt. Wir sollten uns zu unserer Lebensaufgabe bekennen und sie in ihren umfangreichen Ansprüchen ernst nehmen. Alle Lebensbereiche sollten dem Stoffwechsel untergeordnet werden. Es gibt nichts Anspruchsvolleres und Komplexeres, als einen Stoff in einen anderen umzuwandeln und Nahrungsgrundlage für andere Lebewesen zu schaffen. Aber wir glauben, wir sind zu Höherem auf der Welt. Bitte, was kann höher als Humus sein? Scheiße ist wertvoller als Gold! Das ist wahre Alchemie!«
    Eine meiner Freundinnen hat ihr Lachen zurückgehalten, sich die Hand auf den Mund gelegt und getan, als hätte sie sich verkutzt. Helen hat das wenig gekümmert:
    »Kein Druck, kein Drücken! Diese ganze Hetzerei ist tödlich und völlig kontraproduktiv. In der Früh
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