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Die Wiedergeburt

Die Wiedergeburt

Titel: Die Wiedergeburt
Autoren: Brigitte Melzer
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niemals zulassen, dass er sie zu seinesgleichen machte. Doch selbst wenn es Andrejs Wille war, der ihr das Leben nahm, so wären es Lucians Hände, die es ihr aus dem Körper rissen.
    »Du musst mich töten!«
    Die Worte waren kaum ausgesprochen, da ließ Alexandra das Kreuz fallen. »Niemals!«
    »Nimm das Kreuz und stoß es mir ins Herz!«, verlangte er. »Schnell! Solange ich ihn noch kontrollieren kann!«
    Alexandra wurde bleich. »Du musst ihn halten, bis das Ritual vorüber ist!«
    »Das kann ich nicht.«
    »Du musst!«
    Ohne auf seinen Widerspruch zu achten, senkte sie den Blick auf das Pergament.
    »Töte mich!«, brüllte Lucian in einer Mischung aus Hilflosigkeit und Angst um Alexandras Leben. Wenn sie es tat, wäre Andrej keine Bedrohung mehr, und sie konnte gefahrlos das Ritual beenden und das Schwarze Kreuz zerstören. Vampyre gehörten dann für immer der Vergangenheit an. Doch Alexandra achtete nicht auf seinen Befehl.
    Seine Sorge schwächte ihn. Er spürte, wie Andrej gegen ihn ankämpfte und versuchte, erneut die Oberhand zu gewinnen – oder zumindest seinen Körper zu verlassen. Beides konnte Lucian nicht zulassen, denn entweder würde der Unendliche in Alexandras Leib fahren und sich ihrer bemächtigen oder er würde sie – in Lucians Gestalt – töten.
    Andrej versuchte weiterhin, Lucian seinem Willen zu unterwerfen, und es schien ihm mehr und mehr zu gelingen. Es kostete Lucian immense Kraft, zu verhindern, dass sein Bruder Alexandra erneut unter den Bann seines Blickes zwang. Die Worte – Andrejs Worte – lagen ihm bereits auf den Lippen. Er würde ihr befehlen, aufzustehen und zu ihm zu kommen. Wenn das geschah, war alles zu spät.
    Dann jedoch kam ihm ein Gedanke. Womöglich gab es doch noch einen Weg, Alexandra zu retten. Er musste nur schnell genug sein, ehe Andrej bemerkte, was er vorhatte.
    »Was auch immer jetzt geschieht«, sagte er zu Alexandra. »Bring es zu Ende! Zerstöre das Kreuz!«
    Er sah die Furcht in ihren Zügen. Sie ahnte, dass er etwas im Schilde führte, und wenn er sich nicht beeilte, würde sie ebenso versuchen, ihn davon abzuhalten, wie Andrej. Lucian machte auf dem Absatz kehrt und stürmte auf den Rand des Plateaus zu. Hinter ihm stieß Alexandra einen gellenden Schrei aus, als er sich über die Kante in die Tiefe stürzte.
    Heftig atmend und vor Entsetzen wie gelähmt, saß Alexandra da und starrte auf die Kante, über die Lucian ihrem Blick entschwunden war. Ihre Hände zitterten und ein grauenvoller Schmerz ergriff von ihrem Innersten Besitz und drohte sie zu zerreißen.
    »Machen Sie weiter!« Aus weiter Ferne drang Bothwells Stimme an ihr Ohr. Sie hörte seine Schritte, doch sie sah ihn nicht an, konnte den Blick nicht von der Stelle wenden, an der sie Lucian zuletzt gesehen hatte. Dann stand er plötzlich vor ihr und versperrte ihr die Sicht. »Bringen Sie es zu Ende! Zerstören Sie das Kreuz!«
    Sie hatten recht , wollte sie sagen, doch ihre Stimme versagte. Die ganze Zeit über haben Sie gewusst, dass ich ihn umbringen würde. Jetzt war es geschehen. Niemals zuvor hatte sie sich derart leer gefühlt. Die einzige Empfindung, die sie noch verspürte, war Schmerz. Eine Qual, die weit über das Körperliche hinausging und ihre Seele berührte.
    Er ist ein Vampyr! Eine Bestie! Doch die Worte, mit denen sie stets versucht hatte, ihn von sich fernzuhalten, zeigten schon lange keine Wirkung mehr. Sie trauerte um den Mann, nicht um die Kreatur.
    »Himmel, reißen Sie sich zusammen!« Ohne die Linien des Kreises zu übertreten, beugte sich Bothwell nach vorne, packte sie bei den Armen und schüttelte sie. »Wir brauchen Sie!«
    »Wir?«, echote sie tonlos. »Es gibt kein wir mehr. Nur noch Sie und mich.«
    »Wovon reden Sie überhaupt?« Er runzelte die Stirn, dann schien er zu begreifen. »Sehen Sie mich an, Alexandra«, verlangte er und verstärkte den Druck seiner Finger, bis sie seiner Aufforderung nachkam. Wie durch einen Schleier nahm sie seine Züge wahr, milchig und verschwommen. Sie blinzelte, doch es wurde nicht besser.
    »Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass er tot ist!«
    Natürlich glaubte sie das! Oder sollte sie glauben, dass er sich aus dreißig Metern in die Tiefe stürzen konnte, ohne Schaden zu nehmen? Er ist unsterblich ,meldete sich die Stimme der Vernunft zurück. Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. Seine Unsterblichkeit endete in der Gegenwart des Kreuzes. Wenn ihm jemand eine Silberkugel ins Herz schießt oder ihn enthauptet ,
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