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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition)
Autoren: Brunonia Barry
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folgte, schien Zee immer noch eine posthypnotische Suggestion zu sein. Michael war nicht nur ebenfalls der Meinung, Zee sei das perfekte Mädchen für ihn, er schien es sogar nie hinterfragt zu haben. Und genau ein Jahr nach ihrem ersten Rendezvous, eine Zeitspanne, die Mattei wahrscheinlich angemessen fand, hatte Michael ihr einen Heiratsantrag gemacht.
    Zee war sehr froh gewesen, als Mattei sich entschieden hatte, sie einzustellen. Sie hatte eben ihren Master unter Dach und Fach und arbeitete an ihrer Doktorarbeit, da bekam sie von Mattei das Angebot, in ihre Praxis einzusteigen. Mattei überließ ihr die Moderation von ein paar Gruppensitzungen, bei denen sie Zee betreute. Als Zee schließlich den Doktortitel führen durfte, hatte sie bereits ein Eckbüro mit Blick auf die Charles Street und eine Patientenkartei, für die sie selbst Jahre gebraucht hätte.
    Der Ausdruck »Fall abgeschlossen« gehörte zu Matteis größten Späßen. Obwohl sich die Patienten unter ihrer Behandlung fast immer besser fühlten, wurden sie niemals geheilt . Es gab keine abgeschlossenen Fälle, zumal nicht in der modernen amerikanischen Gesellschaft, wie Mattei beteuerte. Nicht in einem Land, das allen möglichen Manien und den nachfolgenden depressiven Phasen einen besonders fruchtbaren Boden bereitete, das Land, das die Werbe- und Marketing-Maschinerie erfunden hatte, bei der man sich erst gut genug fühlte, wenn man seine Konten überzog, um das nächste tolle Ding zu kaufen. Nicht, dass Mattei etwas gegen die Werbe- und Marketing-Maschinerie gehabt hätte. Diese Maschinerie hatte sie reich gemacht. Aber es gab keine abgeschlossenen Fälle. Ein abgeschlossener Fall, das war ausgesprochen unamerikanisch.
    Als Lilly Braedon auftauchte, reichte Mattei sie schnell an Zee weiter.
    Im Jahr zuvor hatte Lilly eine schlimme Angststörung bekommen. Ortsansässige Ärzte hatten bereits alle denkbaren körperlichen Ursachen ausgeschlossen: die Schilddrüse, Anämie, Lupus usw. Nachdem ihr Ehemann (zum ersten Mal in seinem Leben, wie er versicherte) eine Folge der Talkshow The View gesehen hatte, ging er, der mit eigenen Worten »Lilly mehr liebte als das Leben« (eine Aussage, die bei Zee und auch bei Mattei die Alarmglocken schrillen ließ), in den Buchladen Spirit of `76 in Marblehead, um Matteis Buch zu besorgen, aber es war ausverkauft. Sofort bestellte er zwei Exemplare, eines für sich und eines für seine kranke Frau.
    Doch Lilly war zu geplagt, um zu lesen. Damals verließ sie das Haus nur am späten Nachmittag, wenn die Schatten länger waren und das grelle Sommerlicht (eine weitere irrationale Angst) gedämpfter. Am späten Nachmittag, erzählte ihr Mann, unternahm Lilly oft lange Spaziergänge durch die verwinkelten Straßen von Marblehead und hinauf durch die Gräber am Old Burial Hill zu einem Felshang über Marblehead Harbor, wo sie manchmal bis nach Sonnenuntergang blieb.
    »Eigentlich leidet sie dann gar nicht an Agoraphobie«, sagte Mattei zu dem Ehemann, als sie ihre erste Patientenanalyse von Lilly vorgenommen hatte. »Schließlich geht sie aus dem Haus.«
    »Aber nur, um spazieren zu gehen«, sagte der Ehemann. »Angeblich, um sich zu beruhigen.«
    »Interessant«, sagte Mattei.
    Zee merkte, dass sie das nicht ehrlich meinte. Zee war bei Lillys Sitzung anwesend, weil Mattei bereits beschlossen hatte, sie weiterzugeben. Lilly Braedon interessierte Mattei nicht.
    Aber Zee interessierte sie sehr. Seit sie ihre neue Patientin zum ersten Mal getroffen hatte, hatte Zee den Verdacht, an der Geschichte sei mehr dran, als Lilly erzählte.
    Jeden Dienstag fand Zees eigene Therapiesitzung bei Mattei statt. Meistens unterhielten sie sich über ihre Patienten, zumindest über diejenigen, die Medikamente nehmen mussten, und das war die Mehrzahl. Wenn Patienten mit Panikattacken heutzutage keine Medikamente nahmen, gab es ziemlich sicher einen Grund dafür. Entweder steckten sie in einem Zwölf-Punkte-Programm, meistens wegen Alkohol oder Drogen, oder sie litten an der Art von Paranoia, die einem verbietet, überhaupt irgendwelche Medikamente zu nehmen.
    An diesem Vormittag war Zee »die üblichen Verdächtigen« durchgegangen, wie Mattei ihre Patientenliste nannte. Einem ging es besser, ein anderer hatte sich selbst Bourbon und Schlaftabletten verordnet. Eine Frau hatte sämtliche Medikamente abgesetzt und zeigte langsam Anzeichen einer manischen Phase. Als sie auf Lilly zu sprechen kamen, teilte Zee Mattei mit, dass es nichts zu berichten
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