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Die Weltenwanderer

Die Weltenwanderer

Titel: Die Weltenwanderer
Autoren: Liane Sons
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die riesigen Pranken. Die verlangte Entschuldigung lag ihm schlagartig auf der Zunge. Wie betäubt sah er seinen Onkel an.
    »Angst?« Marcks‘ unbarmherziger Blick wanderte von Eriks Gesicht über seine Schulter, seine Augen verengten sich ungläubig. »Du schon wieder?!«
    Die magische Großkatze zerplatzte wie ihr Vorgänger.
    Erik drehte sich in Zeitlupentempo um. Der Ringlord ging langsam, ja mühevoll an ihm vorbei auf den Boten zu. Der rechte Arm hing schlaff herunter, die Jacke war auf dem Rücken völlig zerfetzt. Aeneas atmete schwer und konnte sich offensichtlich kaum noch auf den Beinen halten. Erik befeuchtete die trocknen Lippen, folgte ihm wie in Trance und hörte das vertraute »Bleib hinter mir!«
    Marcks blickte dem Ringlord mit grimmiger Entschlossenheit entgegen. »Soweit waren wir schon einmal.«
    »Aber diesmal fehlt dir das Druckmittel, diesmal wird dich nichts mehr retten.«
    »Vielleicht doch«, erwiderte Marcks und hielt eine Feuerpeitsche in der Hand. »Die kennst du, nicht wahr? Du bist am Ende.«
    Erik sah, wie der Ringlord tief durchatmete, bevor er sprach. »Du müssest dich mal sehen können, Maru. Könnte sein, dass wir jetzt in einer Liga spielen.«
    Die Flammen der Peitsche erloschen, sie selbst schien plötzlich ein Eigenleben zu führen. Der Bote konnte sie nicht mehr halten. Wie eine Schlange wickelte die Schnur sich um seinen Hals und Körper. Er stöhnte und ächzte und wankte wie ein Baum im Sturm.
    »Bevor du stirbst – nur noch eine Sache! Du redest doch so furchtbar gern. Sag dem Jungen die Wahrheit!«, forderte Aeneas. »Du weißt genau, wie seine Mutter starb.«
    Erik starrte verwirrt erst Aeneas und dann den Boten an.
    Marcks wand sich nach wie vor und keuchte atemlos: »Sie hat ihn verflucht!« Schmerzerfüllt stöhnte er auf.
    Der Ringlord verstärkte die magische Umklammerung. »Sie hat weder Selbstmord begangen, noch hat sie einen Fluch ausgesprochen. Sie starb bei dem Brand, als sie versuchte, Kinder vor dem Feuer zu retten, das du gelegt hattest. Du wusstest nicht, dass sie auch im Haus war, nicht wahr? Aber du hast es später erfahren. Hast du dir die Geschichte mit dem Fluch so lange immer wieder eingeredet, bis du schließlich selbst daran glaubtest? Du wolltest sie vielleicht nicht töten, doch du hast es getan.«
    »Woher willst du das wissen?«, würgte der Bote heraus.
    »Möbius hat deine Schwester gefunden. Sie starb in seinen Armen, nachdem sie ihn gebeten hatte, für ihren Sohn zu sorgen.«
    Erik liefen Tränen übers Gesicht. Er sah sie vor sich: die blonde Frau aus der Bibliothek, die lächelnd den Arm nach ihm ausgestreckt hatte. Sie hatte ihn geliebt und nicht verflucht. Er war kein Ungeheuer.
    Marcks winselte: »Das ist nicht wahr. Ich habe Julia nicht getötet, es war von Gandar. Er trägt die Schuld.«
    »Duncan von Gandar hat deine Schwester geliebt und einen Eid gebrochen, um sie zu schützen. Niemand hätte sie jemals auf der Erde gesucht. Sie war glücklich dort, zusammen mit ihrer Familie. Du kannst dich nicht länger hinter deiner Lüge verstecken. Du allein bist für ihren Tod verantwortlich und jetzt wolltest du ihren Sohn töten. Wenn sie noch könnte, würde sie dich verfluchen.«
    Fast hätte Erik Mitleid mit dem schluchzenden Marcks haben können – aber nur fast.
    »Es tut mir leid«, jammerte der Bote. »Ich wusste es nicht, ich wollte es nicht. Ich habe sie geliebt. Sie war meine kleine Schwester. Ich hatte geschworen, sie immer zu beschützen. Sie war ...« Der Rest ging in heillosem Schluchzen unter. Doch, während er schluchzte, startete er schon seinen nächsten Angriff. Ein Sandwirbel raste auf den Ringlord zu.
    »Fahr zur Hölle, Bastard«, brüllte Marcks.
    Aeneas ächzte, taumelte, lenkte den Wirbel jedoch mit einer Handbewegung in die Palmen und festigte die Umklammerung wieder. Seine Stimme klang müde, als er ohne jeden Triumph erwiderte: »Bestimmt einmal, aber du zuerst! Gute Reise, Marú!«
    Erik war bereits bei seinem schwankenden Ringlord, um ihn zu stützen. Der zog ihn an sich, barg sein Gesicht an der Schulter und legte den Arm fest um seinen Kopf.
    Erik war zunächst verwirrt, dann dankbar, dass er Marcks‘ Fluchen, Flehen, Jammern, Stöhnen, heiseres Keuchen und Röcheln nur noch undeutlich hörte. Selbst so fand er die Geräusche schaurig genug.
    Endlich war es still.

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16
    Aeneas sackte kraftlos in Eriks Arme. Der hielt ihn trotz eigener bleierner Glieder umklammert und wartete, bis der Ringlord wieder
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